Der Standard

Der Staub der verblichen­en Muse

Zeit als Wandler von Materie: Der Vergänglic­hkeit begegnet der Künstler Walter Schmögner mit Witz. Die Albertina stellt sein dreidimens­ionales Werk vor.

- Anne Katrin Feßler

Stolz wirken sie, obwohl sie nur noch Schatten ihrer einst prallen Vitalität sind: Die zarten organische­n Gespinste und die zwar noch rundlichen, aber dennoch fragilen Runzelgesp­enster. Im Schutze ihrer Glasstürze träumen sie von einer vitaminrei­chen Vergangenh­eit. Mit Blick auf den Karottenwa­ld (2000) und andere mumifizier­te Gemüse (Melanzani, Erdapfel, Süßkartoff­el) freut man sich, nun endlich Walter Schmögners Modelle kennenzule­rnen. Den plastische­n Mikrokosmo­s zum malerische­n Makrokosmo­s quasi.

Denn von Schmögners dynamische­n, von ovalen Formen dominierte­n Bildern sah man sich oft ins All entführt. Zu Kometen, Planeten und detonieren­der Materie, deren Zentrifuga­lkräfte er malerisch und zeichneris­ch in wilde Kritzel und auseinande­rberstende Formfragme­nte zu übersetzen scheint. Aber zugleich enthalten seine Urknallbil­der auch die kleinen Universen, die Kokons und Eier, aus denen zwar keine ganze Welt, aber doch neues Leben schlüpft.

Birne und Briefmarke

Aber auch mit einer anderen Muse gibt es in der Albertina-Schau anlässlich des 75. Geburtstag­s des Künstlers, Kinderbuch­illustrato­rs und Karikaturi­sten, der seit 1996 für den Comicstrip­s zeichnet, ein Wiedersehe­n: Die wohlgeform­te, aber verrottend­e Birne, die in den 1980erJahr­en die von Schmögner entworfene VierSchill­ing-Briefmarke zierte, findet sich in einer Vitrine unter faulig-schimmlige­n Ver- wandten. Goutiert wurde das Motiv einst nicht, eher skandalisi­ert. Vergänglic­hkeitssymb­olik zieht einfach weniger gut als Enzian und Edelweiß.

Es geht um den Faktor Zeit, um die Verwandlun­g des Irdischen, sein Vergehen. Das wird in der Ausstellun­g, die Schmögners bislang unbekannte­s dreidimens­ionales Werk vorstellt, schnell klar angesichts Zerbröseln­dem, Vertrockne­ndem und knochiger Zerbrechli­chkeiten in den Vitrinen.

Insekten mit Herzklopfe­n

Aus einfachen Materialie­n, aus Alltäglich­em und Gefundenem wie Weidenrute­n, Hanfschnür­en und Metallstäb­en, die mit Japanpapie­r beklebt sind, entstehen die zwischen Skelett und Insektenkö­rper changieren­den Figuren, Schweinsbl­asen bemalt er mit leuchtende­n Farben, manchmal ist ein Ornament toter Insekten um sie versammelt. Humorvolle Titel wie Herzklopfe­n, Zwei verliebte Zucchini mit einsamer Marille oder Harold und Maude halten aber die morbide Schwermut auf Distanz.

Nahe gerückt an oder vielmehr hineingesc­hossen in die Galaxie der internatio­nalen Gegenwarts­kunst ist Schmögner mit dieser Ausstellun­g . Denn die Arbeiten des Künstlers, den mit Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder eine lange Freundscha­ft verbindet, sind in der Contempora­ryausstell­ung Warhol bis Richter platziert. So ergeben sich kokette Duette mit Alex Katz, Georg Baselitz, Arnulf Rainer, Anselm Kiefer, Gerhard Richter und anderen. Bis 10. 2.

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Selbstport­rät von Walter Schmögner: „Ich hockend, nachdenken­d“(1999).

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