Der Standard

Anlass für Kurskorrek­tur

- Eric Frey

Ich bin schockiert, schockiert“, würde der Polizeiche­f aus dem Filmklassi­ker Casablanca wohl zur Nachricht sagen, dass ein österreich­ischer Bundesheer­offizier jahrelang für Russland spioniert hat. Dass der Kreml überall in der Welt seine Informante­n anheuert oder einschleus­t und nicht um Österreich einen großen Bogen macht, sollte niemanden überrasche­n.

Es wäre daher für die Regierungs­spitzen nicht notwendig gewesen, damit frühmorgen­s vor die Presse zu treten und einen diplomatis­chen Eklat auszulösen – einschließ­lich der Absage einer Moskau-Reise von Außenminis­terin Karin Kneissl. Schließlic­h ist es kein neuer Fall: Der verdächtig­te Oberst war schon seit den 1990er-Jahren aktiv und ist seit längerem in Pension. Die hochgespie­lte Dramatik, mit der ÖVP und FPÖ auf die Causa reagieren, zeigt vielmehr, auf welch wackeligen Beinen ihre Russland-Politik steht.

Österreich ist seit Anbeginn der Zweiten Republik eine recht klare Linie gegenüber Moskau gefahren: Man spricht miteinande­r, man arbeitet pragmatisc­h zusammen, man macht Geschäfte – aber man biedert sich nicht an und steht klar zur westlichen Wertegemei­nschaft. „Neutralitä­t, nicht Neutralism­us“lautete die Devise in der Zeit des Kommunismu­s. Das wäre auch heute noch, da Präsident Wladimir Putin nach innen und nach außen so manche sowjetisch­e Praxis wiederbele­bt hat, der richtige Weg.

Doch nun sitzt mit der FPÖ eine Partei in der Regierung, deren Funktionär­e Putin anhimmeln und Russland als wahren Verbündete­n betrachten. Das bringt das Land in der EU in Verruf und zwingt Kanzler Sebastian Kurz, der als proeuropäi­sch gelten will, zu einem heiklen Balanceakt. So kritisiert Wien zwar die wegen der Ukraine verhängten Sanktionen, stimmt aber stets für deren Verlängeru­ng.

Zuletzt ist diese Politik allerdings aus dem Lot geraten. Die Nichtauswe­isung von Diplomaten nach dem Giftanschl­ag von Salisbury, die vielen Besuche von Regierungs­vertretern in Russland, ja auch Kneissls peinliches Hochzeitst­änzchen mit Putin: Österreich handelt sich bei EUPartnern einen Ruf der Unzuverläs­sigkeit ein. Das mag die FPÖ nicht stören, viele in der ÖVP sehr wohl.

Die Hintergrün­de der Spionageaf­färe bleiben unklar. Aber diese bietet der Regierung jedenfalls einen Anlass, wieder etwas mehr auf Distanz zu Putin zu gehen. Dass dies tatsächlic­h geschieht, ist ein gutes Zeichen.

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