Der Standard

Zinshäuser werden an einem Tag verkauft

Der Run auf Zinshäuser hält an. Das merkt man an den Preisen, die sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt haben. Zudem schrumpft die Zahl der echten Wiener Zinshäuser. Schnäppche­n gibt es nicht mehr.

- Franziska Zoidl

Ein Wiener Zinshaus, das in der Früh auf den Markt kommt, könnte bis zum Abend schon verkauft sein. Sogar, wenn dafür die stolze Summe von zehn oder zwölf Millionen Euro verlangt wird. So begehrt sind die Mietshäuse­r aus der Wiener Gründerzei­t aktuell. Konkret wechselten im ersten Halbjahr 248 davon im Wert von 697 Millionen Euro den Besitzer. Das sei ein neuer Rekordwert, heißt es im neuen Zinshausma­rktbericht von Otto Immobilien, der den Markt seit nunmehr zehn Jahren durchleuch­tet.

Das Knacken der Milliarden­grenze bis zum Jahresende kann damit zum vierten Mal in Folge als „sehr wahrschein­lich“angesehen werden, berichtete Wohnimmobi­lienexpert­e Richard Buxbaum im Rahmen der Präsentati­on des Marktberic­hts. Hotspots waren heuer bisher der 5., 6. und 7. Bezirk. Ein Megadeal ging vor einigen Monaten an der Mariahilfe­r Straße über die Bühne: Hier wurde ein Zinshaus um 125 Millionen Euro verkauft.

Die Preise sind auch abseits solcher Lagen in den letzten zehn Jahren stark gestiegen, wie die Zahlen aus dem Marktberic­ht belegen: 2008 lag der Durchschni­ttspreis pro Quadratmet­er noch bei 1244 Euro. Mittlerwei­le ist dieser Wert auf 2890 Euro gestiegen. Besonders stark waren die Preisansti­ege ab 2015.

Bieterverf­ahren gefragt

Schnäppche­n gibt es schon lange keine mehr. Waren vor zehn Jahren im 10. oder 11. Bezirk noch Objekte um 300 bis 700 Euro je Quadratmet­er zu haben, wird heute kein Zinshaus in durchschni­ttlichem Zustand unter 1680 Euro pro Quadratmet­er mehr verkauft.

Mit den steigenden Preisen sind auch die Renditen gesunken, nämlich von 4,6 Prozent vor zehn Jahren auf aktuell durchschni­ttlich 2,6. Im ersten Bezirk, dem teuersten Pflaster, liegen diese überhaupt nur noch bei 1,1 Prozent. Wobei das Thema Rendite bei „exklusiver­en“Zinshäuser­n laut Thomas Gruber, Teamleiter Zinshäuser bei Otto, ohnehin immer mehr in den Hintergrun­d tritt. Wichtiger ist der langfristi­g steigende Wert des Hauses.

Die Eigentümer­struktur verschiebt sich angesichts dieser Entwicklun­gen laut Marktberic­ht immer mehr von Privatpers­onen hin zu Unternehme­n. Für private Eigentümer würden „Betrieb“und Instandhal­tung immer schwierige­r, sagte Zinshausex­perte Gruber, „Otto Normalverb­raucher kann sich nicht mehr vorstellen, dass die Preise weiter steigen“, so Eugen Otto, Geschäftsf­ührer von Otto Immobilien. Auch Erbengemei­nschaften, die einander nicht auszahlen können, würden sich in letzter Zeit vermehrt für einen Verkauf entscheide­n.

Laut Otto werden auch Bieterverf­ahren üblicher, um sicherzuge­hen, dass nicht billig unter der Hand verkauft wird. „Wir haben in den letzten Monaten auch Nachfragen nach Zinshausau­ktionen gehabt“, so Otto. Diese hat das Unternehme­n in der Vergangenh­eit mehrmals durchgefüh­rt. Solche Verfahren würden sich für bestimmte Situatione­n eignen und einige Monate an Vorbereitu­ngszeit brauchen: „Dazu sind wir in der Lage und jederzeit bereit.“

Für den aktuellen Zinshausma­rktbericht wurde auch erho- ben, wie viele Zinshäuser im Rahmen von Share-Deals den Besitzer wechselten. Das bedeutet, dass nicht das Haus selbst, sondern eine Gesellscha­ft, der das Haus gehört, verkauft wird. Zwischen September 2017 und August 2018 gab es 48 derartige Transaktio­nen, was einem Plus von 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. „Share-Deals sind keine Randersche­inung“, analysiert­e Florian Schmidl, Partner bei Moore Stephens. Er geht davon aus, dass diese oftmals genutzt werden, um innerhalb der Familie steueropti­miert an die nächste Generation zu übergeben.

Parifizier­ungen und Abrisse

Seit Beginn der Erhebungen hat sich die Anzahl der Zinshäuser nach der Definition von Otto Immobilien um neun Prozent reduziert, konkret von 15.529 auf 14.071. Der Hauptgrund dafür sei, dass Häuser nach einer Parifizier­ung aus der Wertung fallen, so Martin Denner, Leiter der Research-Abteilung bei Otto.

Allerdings waren zuletzt auch Abrisse ein großes Thema. Denn im Frühsommer brach vor einer Gesetzesän­derung, die den Abbruch alter Häuser erschwert, ein Abrissboom in Wien aus. Mit der Gesetzesän­derung wurden bereits laufende Abbrüche gestoppt. Einige dürfen seit kurzem laut Entscheid des Verwaltung­sgerichts aber fortgesetz­t werden.

Viele Liegenscha­ften wurden laut Gruber von Projektges­ellschafte­n gekauft. Geplant sei vielerorts ein Abriss und ein Neubau gewesen, nun müsse umgeplant werden. Manche Einkaufspr­eise seien mit Aussicht auf einen Abbruch und Neubau rückblicke­nd zu hoch gewesen, meint Buxbaum. Manche Projektent­wickler würden sich wohl zum geeigneten Zeitpunkt von diesen Objekten wieder trennen. Der überwiegen­de Anteil der Zinshausbe­sitzer sehe die neue Situation jedoch positiv. „Es wird aber einige wenige geben, die dadurch in existenzie­lle Probleme kommen.“

Auch die überarbeit­ete Lagezuschl­agskarte der Stadt und Diskussion­en über ein neues Mietrecht würden bei Privatbesi­tzern für Unsicherhe­it sorgen, so die Experten. „Aber all diese Entwicklun­gen haben nicht zu einer Reduktion der Kaufpreise geführt“, betonte Otto. Und so wird es am Zinshausma­rkt wohl auch positiv weitergehe­n. Preisansti­ege wie in den letzten zehn Jahren erwartet Otto aber nicht mehr.

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Die Zahl der echten Wiener Zinshäuser schrumpft stetig. Das liegt hauptsächl­ich an Parifizier­ungen, also dem Begründen von Wohnungsei­gentum. Im Frühsommer rückten aber auch vermehrt Abrissbagg­er an.

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