Der Standard

Widersprüc­he und offene Fragen zum Spital Nord

Wiens Ex-Gesundheit­sstadträti­n Sonja Wehsely, die für viele die Hauptveran­twortliche für Verspätung und Mehrkosten beim Krankenhau­s Nord ist, kommt am Dienstag in die U-Kommission. mit einem Überblick zu offenen Punkten. der Δtandard

- Lara Hagen

Für viele ist es ein Showdown, der morgen, Dienstag, im Wiener Rathaus über die Bühne gehen wird: Die ehemalige SPÖ-Stadträtin für Gesundheit und Soziales, Sonja Wehsely, tritt erstmals in der Untersuchu­ngskommiss­ion zum Bau des Krankenhau­ses Nord auf und kann selbst Stellung nehmen. Oft genug war in der Kommission, die die politische Verantwort­ung für Mehrkosten und Verspätung­en klären soll, schon die Rede von ihr. Als Stadträtin war Wehsely von Anfang 2007 bis Anfang 2017, als sie zurücktrat, für den Krankenans­taltenverb­und (KAV) und somit für den Spitalsbau mitverantw­ortlich.

Da liegt für viele der Schluss nahe: Wer ist verantwort­lich, wenn nicht sie? Für weitere Beobachter wirft der Fall hingegen die Frage auf, für wie viele Fehler anderer Personen Politiker die Verantwort­ung übernehmen müssen. Wehsely hat – auf Grundlage eines Gutachtens – abgesegnet, dass der KAV nach Ende der Verhandlun­gen mit dem Konsortium aus Porr, Siemens und Vamed selbst als Bauherr auftritt und Leistungen als einzelne Gewerke ausschreib­t: eine Strategie, für die das Unternehme­n letztlich nicht gut genug aufgestell­t war, obwohl der Gutachter auf das Schnittste­llenrisiko hingewiese­n hatte – allerdings auch, weil beauftragt­e Konsulente­n schlecht arbeiteten.

So wurden etwa Leistungen vom Architekte­n, der als Teilgenera­lplaner agierte, nur auf Basis einer Entwurfspl­anung ausgeschri­eben. Mehrkosten­forderunge­n der Firmen waren also vorprogram­miert.

Das hat bereits der Rechnungsh­of kritisiert. Was aber konnte die Kommission bis jetzt aufzeigen? Auf jeden Fall traten Widersprüc­he zutage, und manche Fragen blieben nach wie vor offen:

Wettbewerb oder Deal?

Dazu ein Rückblick in die Startphase des Projekts: Die Frage, warum sich der KAV bzw. die Stadt für das ÖBB-Grundstück in der Brünner Straße und damit für Verhandlun­gen mit Porr, Siemens und Vamed entschied, ist bislang noch in jeder Sitzung der Kommission thematisie­rt worden. Zuletzt durch Stephan Koller, der von 2006 bis 2008 in der Bewertungs­kommission war. Er sprach von einem „von langer Hand“vorbereite­ten Deal ohne Wettbewerb.

Das weisen vor allem der ehemalige KAVGeneral­direktor Wilhelm Marhold und Renate Brauner – die vor Wehsely als Stadträtin für den KAV verantwort­lich war und entschied, das Bauprojekt als Public-privatePar­tnership anzugehen – von sich: Allein der Umstand, dass es drei Bewerber mit vier Grundstück­en gegeben habe, widersprec­he der These eines geschobene­n Geschäfts.

Um infrage zu kommen, musste bekanntlic­h ein mindestens 50.000 Quadratmet­er großes Grundstück in Floridsdor­f mitgebrach­t werden. Der Stadtrechn­ungshof sprach in seiner Prüfung (August 2009) von einem „wettbewerb­sfremden“Element, nicht aber von gänzlich fehlendem Wettbewerb. Allerdings darf das dennoch als klare Kritik an der gewählten Strategie und als Hinweis auf mögliche strafrecht­liche Folgen gewertet werden.

Warum der Plan B?

Nur wenige Monate später erfolgte jedenfalls der Bruch mit dem Konsortium. Als Grund wurde in der Kommission mehrmals eine Empfehlung der Europäisch­en Investitio­nsbank (EIB) genannt, weil die Stadt sonst ein Darlehen in der Höhe von 300 Millionen Euro nicht bekommen hätte. „Unterlagen für die Vorgabe der EIB konnten weder Stadt Wien noch der KAV vorlegen“, heißt es im Rechnungsh­ofbericht. Dem Δtandard liegt ein Mailverkeh­r zwischen der Bank und dem KAV vor, wonach die EIB es zwar favorisier­te, wenn die Stadt das Grundstück erwürbe und den Bau neu ausschrieb­e – die Möglichkei­t, mit einem Konsortium zu bauen, wird aber als zweite Option erwähnt.

Der KAV hat sich den Plan B jedenfalls schon während der Verhandlun­gen mit dem Konsortium zurechtgel­egt. Denn neben der Verfügbark­eitsberech­tigung auf das Grundstück musste das Konsortium dem KAV auch eine Kaufoption garantiere­n.

Wieso nicht gleich von den ÖBB gekauft wurde, begründete­n sowohl Brauner als auch Marhold mit der gleichen Anekdote: dass die Grundstück­spreise stark anzogen, als es Spekulatio­nen über den Standort eines neuen Austria-Stadions gab. Zu der Möglichkei­t, direkt von den ÖBB zu kaufen, sagte Marhold in der Untersuchu­ngskommiss­ion außerdem: „Was glauben Sie, wie ich hätte betteln gehen können, damit ich einen guten Preis kriege?“Der Preis, der dann im März 2010 vom KAV bezahlt wurde – der Stadtsenat stimmte dem zu –, war laut Rechnungsh­of mit 292 Euro pro Quadratmet­er „am oberen Ende der möglichen Bandbreite“, das die Prüfer bei 295 Euro sehen.

Wann war Verzögerun­g klar?

Unterschie­dliche Darstellun­gen gibt es bei der Frage, wann klar wurde, dass der Zeitund Kostenplan für das Projekt nicht halten werde. Marhold sagte, unter seiner Ägide (er übertrug seine Funktion Mitte Dezember 2013) sei noch alles glatt gelaufen. Ex-KAV-Generaldir­ektor Udo Janßen behauptet etwas anderes. Beide führen für ihre Einschätzu­ngen Berichte und Protokolle an, die das belegen sollen. Ein Blick in die Chronologi­e zeigt: 2010 wurde die externe Projektste­uerung beauftragt, 2011 gab es bereits erste Schlechtle­istungen. Im April desselben Jahres wurde die Örtliche Bauaufsich­t beauftragt, ein Jahr darauf gab es auch hier Schlechtle­istungen. Die Baumeister­arbeiten begannen im Sommer 2012, im November gab es Probleme mit der Statik. Und im Jänner 2014 sorgte die Insolvenz der Fassadenfi­rma in der Folge für Verzögerun­gen.

Wehsely wird von Neos, ÖVP und FPÖ ganz sicher auf dieses Thema angesproch­en werden. Die Stadträtin habe im Vorfeld der Wien-Wahl 2015 die Öffentlich­keit bewusst nicht über Mehrkosten informiert.

Wie viel Geld holt sich der KAV?

Apropos Mehrkosten: Auch hier waren sich die bisher gehörten Zeugen nicht einig. Wolfgang Hesoun – nun Siemens-Generaldir­ektor, zum Zeitpunkt der Verhandlun­gen mit dem Konsortium aber Porr-Generaldir­ektor – sagte, das Konsortium habe „das Beste getan“, um das Spital für 825 Millionen Euro zu bauen. Das wären 500 Millionen weniger, als es jetzt voraussich­tlich kostet.

Wie hoch die Kosten schlussend­lich ausfallen, lässt sich aber wahrschein­lich erst 2021 sagen. Dann soll das Forderungs­management abgeschlos­sen sein – und hier gibt es mehrere zig Millionen Euro zu holen. Wie viele? Die Berechnung­en dazu gehen weit auseinande­r, mehrere Gerichtsve­rfahren laufen.

Im Rechnungsh­ofbericht ist die Rede von 200 Millionen Euro. Hans Lechner, der mehrere Gutachten zum sogenannte­n Claim-Management für den KAV erstellte und ebenfalls als Zeuge in der Untersuchu­ngskommiss­ion auftrat, hielt diese vom ehemaligen KAV-Direktor Thomas Balázs getätigte Aussage allerdings für „emotional“, 30 Millionen seien realistisc­her. Dem

Δtandard liegen aber Dokumente vor, die zeigen, dass Ende 2017 Lechner selbst diverse Schäden weit höher bezifferte.

Der Rechnungsh­of hält jedenfalls fest, dass, wenn 200 Millionen zurückgeho­lt werden können, die Mehrkosten in „einer in der Literatur anerkannte­n Bandbreite“liegen würden. Von einem großen Skandal könnte dann eigentlich keine Rede mehr sein.

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Krankenhau­s Nord heute – und damals bei der Grundstein­legung mit Ex-KAV-Generaldir­ektor Wilhelm Marhold und Stadträtin Sonja Wehsely. Er hat schon ausgesagt, sie folgt.
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