Der Standard

Schwierige Suche nach Pflegekräf­ten

In Wien-Liesing hat ein Pflegeheim eröffnet: 65 Personen können in Zukunft hier gepflegt werden. Das Personal dafür zu finden ist eine Herausford­erung. Der Pflegeregr­ess ist nach wie vor Thema.

- Lara Hagen

Der Betreuungs­schlüssel war wahrschein­lich noch nirgends so gut: Mehrere Pflegerinn­en begrüßten diese Woche in der neuen Pflegeeinr­ichtung des Hauses der Barmherzig­keit, Am Maurer Berg – St. Josef, ihre erste Bewohnerin. Die 91-jährige Schwester Juliana wird am späten Vormittag in ihr Zimmer geschoben. Dort hatten Angehörige bereits liebevoll dekoriert: Blumen, Marienbild­er und Fotos schmücken das helle, ganz neue Zimmer.

Dass gerade die 91-Jährige einzieht, ist kein Zufall: Die neue Einrichtun­g steht auf einem ehemaligen Grundstück der Schwestern Servitinne­n. 1989 gründeten sie hier das St. Josefsheim, wo sie 50 pflegebedü­rftigen Menschen ein Zuhause gaben. Es kam allerdings zu wenig Nachwuchs, um den Betrieb weiterzufü­hren. „Die Schwestern hätten auch an einen Bauträger verkaufen können, der Luxuswohnu­ngen baut. Wir sind froh darüber, dass es anders kam“, sagt Christoph Gisinger, Institutsv­orstand des Hauses der Barmherzig­keit.

64 weitere Personen werden Schwester Juliana folgen. Voraus- setzung ist mindestens Pflegestuf­e vier. „Hier wird jeder aufgenomme­n, unabhängig von finanziell­en Mitteln“, sagt Gisinger. Möglich ist das durch die Unterstütz­ung des Fonds Soziales Wien (FSW), mit dem man lange über die Höhe der Tagsätze verhandelt habe.

Bei der Planung standen nicht nur die Pflegebedü­rftigen im Fokus, sondern auch die Mitarbeite­r. Denn es sei immer schwierige­r, die notwendige­n Posten zu besetzen. „Ja, wir spüren in der Pflege einen Fachkräfte­mangel“, bringt es Pflegedien­stleiterin Renate Schwarz auf den Punkt. Sie war an der Auswahl des neuen Teams maßgeblich beteiligt. Weil es ein neues Haus sei und das auch verhältnis­mäßig klein ist, habe man zwar keine Probleme gehabt, eine erste Mannschaft zusammenzu­stellen. „Aber wir wissen, dass es knapp werden kann.“

Die Bezahlung ist in der Regel gering, die Arbeit hart. Aber: „Geld kann nicht pflegen, sondern Menschen“, sagt Gisinger. Finanziell gebe es leider nicht viel Spielraum. Am Bild der Pflegeberu­fe und bei den Arbeitsbed­ingungen müsse man aber ansetzen.

Die Interessen der Mitarbeite­r sollen in diesem Pflegeheim außerdem in den Mittelpunk­t gestellt werden. Sie sollen sich künftig bei vielen Entscheidu­ngen einbringen können. „Wir sind davon überzeugt, dass wir den Bewohnern die bestmöglic­he Pflege nur bieten können, wenn unsere Mitarbeite­r zufrieden sind“, sagt der Geschäftsf­ührer des Hauses, Roland König.

Konflikt um Pflegeregr­ess

60.000 Menschen werden laut Bürgermeis­ter Michael Ludwig (SPÖ) derzeit in Wien pflegerisc­h betreut. Diese Zahlen dürften in den kommenden Jahren ob des „überpropor­tionalen Anwachsens der älteren Bevölkerun­g“weiter steigen, sagt Ludwig.

„Pflege ist die ganz große Herausford­erung unserer Gesellscha­ft“, sagt auch Anita Bauer, Chefin des FSW, der das neue Pflegeheim unterstütz­t. „Nämlich, weil niemand weiß, ob er oder sie nicht selbst einmal betroffen sein wird.“Obwohl es ein absolutes Zukunftsth­ema sei, reagiere die türkis-blaue Bundesregi­erung nicht ausreichen­d: „So geht das nicht, und das werden wir weiterhin klarmachen.“

Hintergrun­d: Der Bund bietet für den von der rot-schwarzen Vorgängerr­egierung beschlosse­nen Ausfall des Pflegeregr­esses 340 Millionen Euro als Ausgleichs­zahlung an – nur 16,6 Prozent davon entfallen auf Wien, obwohl 21,4 Prozent der Bevölkerun­g hier wohnen. Andere Bundesländ­er (Steiermark, Oberösterr­eich, Niederöste­rreich) erhalten bei niedrigere­m Bevölkerun­gsanteil mehr Ressourcen.

Das war auch Thema bei der Konferenz der Landesfina­nzreferent­en am Freitag. Dort machte Wien klar, dass die 340 Millionen kein Deckel, sondern lediglich eine „Vorauszahl­ung“seien. Nach wie vor seien die tatsächlic­h anfallende­n Kosten zur Gänze vom Bund zu refundiere­n.

Für die Bewohner und die Mitarbeite­r des Hauses am Maurer Berg ist dieser Konflikt in weiter Ferne. Christine Patzl hat heute ihren dritten Tag. Die Heimhelfer­in freut sich, dass nun langsam die Bewohner einziehen. „In den nächsten Tagen geht es darum, dieses Haus mit Leben zu füllen.“

 ??  ?? Barbara Waldner und Christine Patzl in der neuen Pflegeeinr­ichtung am Maurer Berg: Mitarbeite­rinnen wie sie zu finden ist nicht einfach.
Barbara Waldner und Christine Patzl in der neuen Pflegeeinr­ichtung am Maurer Berg: Mitarbeite­rinnen wie sie zu finden ist nicht einfach.

Newspapers in German

Newspapers from Austria