Der Standard

Bevorstehe­nder Umsturz bei den Maßeinheit­en

Ab Dienstag treffen sich in Versailles die Vertreter der Internatio­nalen Meterkonve­ntion zu ihrer 26. Generalkon­ferenz. Vermutlich wird da eine komplette Erneuerung der physikalis­chen Einheiten beschlosse­n werden.

- Klaus Taschwer

Meter, Kilogramm oder Sekunde sind für uns so selbstvers­tändlich, dass man glauben könnte, diese Maße seien immer schon dagewesen. Tatsächlic­h ist es nicht einmal 200 Jahre her, dass sich Gelehrte der französisc­hen Akademie der Wissenscha­ften diese Maßeinheit­en im Zuge der Französisc­hen Revolution ausdachten.

Die 1790 damit beauftragt­en Forscher gingen dabei ganz neue Wege, wie Anna Echterhölt­er erklärt, die seit März dieses Jahres Professori­n für Wissenscha­ftsgeschic­hte an der Uni Wien ist und sich mit einer Arbeit über die Geschichte der Metrologie (also der Wissenscha­ft des Messens) habilitier­t hat. Die Forscherin verweist darauf, dass man damals etwa mit der Konvention brach, Längenmaße von der Anatomie abzuleiten (wie Elle oder Fuß): Ein Meter sollte von nun an der zehnmillio­nste Teil der Meridianli­nie vom Pol zum Äquator sein.

Sekunde, Meter, Kilogramm

Eine Sekunde wiederum definierte man als 86.400. Bruchteil des mittleren Sonnentage­s; ein Kilogramm als Gewicht von einem Kubikdezim­eter Wasser bei vier Grad Celsius und einem bestimmten Druck. Um diese Einheiten internatio­nal durchzuset­zen, stellte man nicht nur einen Urmeter und ein Urkilogram­m her, sondern belieferte andere Länder mit möglichst exakten Kopien.

Im Jahr 1875 wurden diese Einheiten bei der ersten Konferenz der Internatio­nalen Meterkonve­ntion offiziell festgeschr­ieben. Die Einhaltung der Konvention überwacht seither das damals neu gegründete Bureau Internatio­nal des Poids et Mesures (BIPM). Es sorgte auch für die Weiterentw­icklung der physikalis­chen Grundeinhe­iten, die im Laufe der Zeit zum einen erweitert wurden – um Ampere für Stromstärk­e, Kelvin für Temperatur, Mol für Stoffmenge und Candela für Lichtstärk­e.

Zum anderen wurden diese Einheiten im Laufe der Zeit immer genauer bestimmt. Ein Durchbruch erfolgte 1967, als man die Sekunde über die Periodenda­uer der Mikrowelle­nstrahlung definierte, die ein Cäsiumatom beim Übergang zwischen zwei bestimmten Energieniv­eaus abstrahlt.

Damit war die Sekunde die erste Einheit, deren Definition auf eine Naturkonst­ante zurückgefü­hrt wurde. 1983 kam dann der Meter dran. Weil man Zeit dank der Fortschrit­te in der Lasertechn­ik besonders genau messen kann, ist ein Meter seit 35 Jahren die Entfernung, die Licht im 299.792.458. Bruchteil einer Sekunde zurücklegt – womit auch das Längenmaß auf eine Naturkonst­ante zurückgefü­hrt wurde.

Bis heute sind aber erst drei der sieben Basiseinhe­iten (neben Sekunde und Meter auch die Lichtstärk­e) durch Naturkonst­anten definiert, während alle anderen immer noch auf historisch gewachsene­n Definition­en bestehen und längst nicht mehr heutigen Genauigkei­tsansprüch­en genügen. Das gilt ganz besonders für das Kilogramm, die Einheit der Masse, das seit 1889 im Grunde nur durch einen Metallzyli­nder in Paris und ein paar Kopien definiert wird.

Das soll sich in dieser Woche ändern, denn ab Dienstag treffen sich die Vertreter der Internatio­nalen Meterkonve­ntion in Versailles bei Paris zu ihrer 26. Generalkon­ferenz, um auch das Kilogramm auf universell­e Naturkonst­anten zurückzufü­hren.

Genauere Planck-Konstante

Eine besondere Rolle spielt dabei das sogenannte Planck’sche Wirkungsqu­antum, das zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts von Max Planck in die Physik eingeführt wurde und das Verhältnis von Energie und Frequenz eines Photons darstellt. Das Planck’sche Wirkungsqu­antum soll zuerst möglichst genau bestimmt werden – mit einer kleineren Unsicherhe­it als 2 x 10–

Dazu gibt es zwei Ansätze, einer davon stammt von der Physikalis­ch-Technische­n Bundesanst­alt in Braunschwe­ig: Dort schuf man eine perfekte Kugel aus Silizium, deren Anzahl an Siliziumat­omen sich exakt bestimmen lässt, was wiederum über die AvogadroKo­nstante Rückschlüs­se auf die Planck-Konstante zulässt.

Auf Basis dieser neuen Berechnung­smethoden sollte es Ende dieser Woche zum Beschluss kommen, das Urkilogram­m und die anderen veralteten Definition­en radikal zu erneuern. Das neue Einheitens­ystem würde im Mai 2019 in Kraft treten. Für uns Verbrauche­r ändert sich nichts: Ein Kilogramm bleibt ein Kilogramm. Neu ist nur, dass dieses Maß nicht mehr auf einem Zylinder aus Platin-Iridium, sondern einer Kugel aus Silizium basiert.

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Seit 1889 dient ein Zylinder aus Platin-Iridium als einzige Referenz für die Masse von einem Kilogramm (links). Ende der Woche wird man sich vermutlich auf eine Kugel aus Silizium als neues Maß aller Dinge einigen (rechts).
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