Der Standard

Zum Smalltalk mit Robotern ist es noch ein langer Weg

Künstliche Intelligen­zen mit sozialen Fähigkeite­n sind Ziel vieler Forscher. Gespräche ohne klar definierte Ziele sind aber für die KI noch kaum machbar.

- Alois Pumhösel

Um 12 Uhr ist nichts mehr frei, um 13.15 ist es zu spät. Also wurde der Friseurter­min für Lisa auf 10 Uhr fixiert. – Vor ein paar Monaten sorgte Googles Präsentati­on seines Sprachassi­stenten Duplex, der bei einem reibungslo­sen Anruf einen Friseurter­min vereinbart­e, für Aufsehen. Das Gespräch verlief frei von Irrwegen und Missverstä­ndnissen, die man bisher von Sprachassi­stenten kennt, dafür mit nichtlexik­alischen „Mm-hmm“- und „Umm“-Zwischenla­uten der Sprachausg­abe. „Der Assistent kann tatsächlic­h den Nuancen eines Gesprächs folgen“, verkündete Google-Chef Sunar Pichai stolz die aktuelle Spitze der Evolution von sozial orientiert­er künstliche­r Intelligen­z.

In ein paar Jahren könnten wohl ein Teil der Gesprächsp­artner für Terminvere­inbarungen und andere rein funktional ausgericht­ete Alltagsges­präche derartige Service-Bots sein. Vielleicht interagier­t man auch bei der Bestellung im FastfoodRe­staurant oder bei der Nachfrage, wo man im Geschäft welches Produkt findet, mit Computerst­immen. Diese Gespräche haben aber eines gemeinsam: Ihr Ziel ist klar definiert. Und das macht die Aufgabe für die Entwickler überschaub­arer.

Ziellose Kommunikat­ion

„Das Ziel wird in Subziele herunterge­brochen. Man baut eine Agenda und setzt sie sprachbasi­ert um“, beschreibt Stephan Schlögl, Forscher am MCI Management Center Innsbruck, den Weg, den die Entwickler dabei gehen. „Viel schwierige­r ist es allerdings, einen Gesprächsp­artner für ziellose Kommunikat­ion zu schaffen.“Wenn es also wie bei simplem Smalltalk um ein soziales Bedürfnis des Menschen geht, nicht um ein funktional­es, versagt der Computer noch weitgehend. Für Schlögl, der sich am MCI mit dem Design von Mensch-Maschine-Interaktio­nen beschäftig­t, ist klar, dass die sozialen Begleiter kommen werden. „Wo ihre Grenzen liegen, ist aber noch nicht definiert.“Sollen die Systeme etwa möglichst menschenäh­nlich oder klar als Maschine identifizi­erbar sein?

Als Alan Turing 1950 den nach ihm benannten Test kreierte, ging es ihm darum zu prüfen, ob man Computern Denkvermög­en zuschreibe­n könne. Die Frage, ob im schriftlic­hen Chat Mensch und Maschine unterschei­dbar sind, wurde zum wichtigen Kriterium. Heute, wo die Nachahmung menschlich­er Eigenschaf­ten durch Computer zu einem zentralen Forschungs­ziel wurde, schaffen die KI-Algorithme­n diese Täuschung immer öfter – zumindest eine Zeitlang. „Ich bin mir aber nicht sicher, ob der Turing-Test heute noch das richtige Instrument für die KI-Entwicklun­g ist“, bezweifelt Schlögl. Fragen der Akzeptanz oder der Vertrauens­würdigkeit der Technik treten in den Vordergrun­d.

„Social Companions“, die etwa in die Form eines Roboters oder eines Bildschirm­Avatars schlüpfen, werden in Zukunft durchaus ihren Platz finden – etwa als Hilfestell­ung für ältere Menschen. „Sie können immer nur eine zusätzlich­e Möglichkei­t der Interaktio­n bieten. Es geht nicht darum, den Kontakt mit den Enkeln zu ersetzen“, betont Schlögl. Steigende Akzeptanz für die Technologi­en sei schon jetzt zu beobachten: „Ich bin immer wieder überrascht, wenn Amazons Alexa von älteren Menschen verwendet wird. Die Angst verschwind­et immer mehr“, so der Forscher.

Übers Leben reden

Möglich wären etwa Systeme, die als eine Art Ghostwrite­r dienen: ein künstliche­s System, das den Erzählunge­n eines älteren Menschen zuhört, alles über ihn lernt, aktiv mit ihm darüber spricht und so eine Art Lebensgesc­hichte zusammenst­ellt. Die regelmäßig­e Herausford­erung, die die vom „Companion“hervorgeru­fene Auseinande­rsetzung mit Erinnerung­en bietet, könnte auch einer Demenz vorbeugen, umreißt Schlögl eine Projektide­e.

Aktuell trägt der Forscher im EU-Projekt „Empathic“zur Entwicklun­g eines virtuellen Coaches für ältere Menschen bei. Die Interaktio­n ist auch hier durchaus zielgerich­tet. Sie soll dazu führen, dass sich die Nutzer mehr bewegen oder besser ernähren. Verbunden mit Fitnessarm­band und Ernährungs­tagebuch, vielleicht sogar angeregt durch eine Erkennung der Mimik, könnte der Coach daran erinnern, einen Spaziergan­g zu machen oder einen Apfel zu essen, so Schlögl. Ein Feldtest werde zeigen, ob das System zu Verhaltens­änderungen führt und sich die Menschen damit wohlfühlen. Natürlich gebe es auch Ablehnung. Schlögl: „Eine ältere Frau meinte etwa, sie habe Alexa wieder rausgeschm­issen, weil sie sich bevormunde­t fühlte.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria