Der Standard

Kriegsgräu­el im Jemen

Zu viele tote Zivilisten, die humanitäre Katastroph­e, aber auch der Fall Khashoggi: Die USA distanzier­en sich langsam von der saudisch geführten Allianz, die seit 2015 im Jemen die Huthi-Rebellen bekämpft.

- Gudrun Harrer

Die Kämpfe im Jemen haben zuletzt an Intensität zugelegt. Drei Viertel der Bevölkerun­g sind vom Hungertod bedroht.

Es ist beinahe ein Klassiker: Wenn über das Kriegsende gesprochen wird, werden die Kämpfe erst einmal stärker. Es sollen noch Tatsachen auf dem Boden geschaffen werden. So auch im Jemen: Wenige Tage nachdem US-Verteidigu­ngsministe­r James Mattis einen Waffenstil­lstand innerhalb eines Monats verlangt hatte, wurde Anfang November die Offensive vor Hodeidah wiederaufg­enommen.

Auch wenn die Operatione­n zu Wochenmitt­e wieder zu stocken schienen: Diesmal hat die saudisch geführte Allianz nach eigener Aussage vor, den Hafen – den einzig verblieben­en, wenngleich immer wieder blockierte­n Versorgung­shafen für den Norden – von den Huthi-Rebellen zu erobern. Bei ihrer Juni-Offensive war sie vor den Außenbezir­ken stehen geblieben. Seit der Wiederaufn­ahme der Kämpfe gibt es nun hunderte Tote. Die Huthi-Rebellen haben eine Gegenoffen­sive gestartet, alle Zugänge zum Hafen bis auf einen sind vermint.

Die unterschät­zten Emirate

Die „saudisch geführte Allianz“, das sind im Fall von Hodeidah die jemenitisc­hen Amaqaliya-Brigaden, die vor allem von den Vereinigte­n Arabischen Emiraten unterstütz­t werden. Die Rolle der Emirate wird von außen wenig wahrgenomm­en: Alles dreht sich derzeit um Saudi-Arabien und dessen plötzlich schwierig gewordenes Verhältnis zu den USA.

Der Fall Jamal Khashoggi – die Ermordung des saudischen Publiziste­n im saudischen Konsulat in Istanbul – hat den Wunsch der USA verstärkt, sich von diesem ungewinnba­ren Krieg zu distanzier­en, dessen viele zivile Tote den Vorwurf von Kriegsverb­rechen laut werden lassen. Außer- dem nimmt die humanitäre Katastroph­e biblische Ausmaße an.

Die Hauptstadt Sanaa kontrollie­ren die vom Iran unterstütz­ten Huthis seit September 2014. Aber als sie im März 2015 die südliche Hafenstadt Aden einnahmen, stellten die Saudis eine Allianz zusammen, die den internatio­nal anerkannte­n Präsidente­n des Jemen, Abd Rabbo Mansur Hadi, an die Macht zurückbrin­gen sollte. Die US-Regierung von Barack Obama steuerte militärisc­he Logistik bei, stoppte aber im Dezember 2016 – nach einem saudischen Angriff auf ein Begräbnis, der 155 Tote forderte – die Lieferung von Präzisions­munition. Unter Donald Trump bekam Riad wieder alles, was es wollte. Die Einstellun­g der Betankung saudischer Kampfjets durch die USA am Wochenende ist militärisc­h insignifik­ant – eher eine Geste, auch jenen im USKongress gegenüber, die fordern, die Beziehunge­n zu den Saudis zu überdenken.

Man könnte es deshalb auch so sehen: Die Trump-Regierung will ein Ende des Jemen-Kriegs, damit ihre Waffenverk­äufe an SaudiArabi­en und die Vereinigte­n Ara- bischen Emirate nicht infrage gestellt werden. Für den Versuch der Allianz, die Huthis vorher noch zurückzudr­ängen, hat sie Verständni­s. Dazu trugen aber auch iranische Medien bei, die Mattis’ Ruf nach einem Waffenstil­lstand als Sieg des „Widerstand­s“– der Huthis mit iranischer Unterstütz­ung – feierten.

Befremden löste aber auch ein Gastkommen­tar Mohammed alHuthis, des Chefs des Huthi-Revolution­srates, in der Washington

Post vorige Woche aus. Darin ließ er Saudi-Arabien in der Khashoggi-Affäre Belehrunge­n in Menschenre­chtsfragen zuteilwerd­en. Dabei wäre auch für die Huthis ein Kriegsverb­rechertrib­unal angebracht: Zahlreiche Fälle von willkürlic­hen Verhaftung­en, Folter, Verschwind­enlassen von Menschen etc. sind dokumentie­rt.

Dringlichk­eit von Gesprächen

Der Uno-Sonderbeau­ftragte für den Jemen, der Brite Martin Griffiths, soll nun baldige neue Gespräche organisier­en, vielleicht in Schweden, das noch bis Jahresende im Uno-Sicherheit­srat sitzt. Der letzte Versuch, Delegation­en von Huthis und Regierung zumindest zu indirekten Verhandlun­gen zusammenzu­bringen, ist Anfang September in Genf gescheiter­t.

Es gibt vielleicht noch einen Grund, Verhandlun­gen zu beschleuni­gen: den schlechten Gesundheit­szustand von Präsident Hadi. Auch er genießt nur wenig Anerkennun­g – aber sein zumindest temporärer verfassung­smäßiger Nachfolger, Vizepräsid­ent Ali Mohsen al-Ahmar, würde alles noch schwierige­r machen. Der einstige Supergener­al von Präsident Ali Abdullah Saleh ist bei den Huthis, aber auch bei den Separatist­en im Süden verhasst, die eigene Wege gehen wollen.

 ??  ?? Der Krieg im Jemen hat die Not der Bevölkerun­g massiv vergrößert. Besonders viele Kinder sind von Gewalt und Nahrungsma­ngel betroffen.
Der Krieg im Jemen hat die Not der Bevölkerun­g massiv vergrößert. Besonders viele Kinder sind von Gewalt und Nahrungsma­ngel betroffen.

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