Der Standard

Kochverbot in Asylquarti­er

In immer mehr niederöste­rreichisch­en Asylquarti­eren dürfen die Flüchtling­e nicht selbst kochen, sondern erhalten fertige Mahlzeiten. In einem Gasthof soll das zu akutem Mangel geführt haben.

- Irene Brickner

In immer mehr niederöste­rreichisch­en Quartieren dürfen Flüchtling­e nicht selbst kochen, sondern erhalten fertige Mahlzeiten.

Kritik an den Zuständen in einem im Süden Niederöste­rreichs gelegenen Gasthof, der Asylwerber in Landesbetr­euung versorgt (Name der Redaktion bekannt), habe es schon seit Jahren gegeben, schildert die private Flüchtling­shelferin Birgit Pinz. In die Öffentlich­keit getragen wurden sie bisher nicht: Die betroffene­n Flüchtling­e hätten sich vor Repressali­en gefürchtet.

Nun jedoch hätten einzelne Asylwerber das Schweigen gebrochen, und Unterstütz­er hätten sich durch mehrere Lokalaugen­scheine ein umfassende­s Bild der Lage in dem Wirtshaus verschafft. „Die Situation für die Asylwerber erscheint selbst bei Anlegen eines großzügige­n Maßstabes als menschenun­würdig“, steht in einer kürzlich der Staatsanwa­ltschaft Wiener Neustadt geschickte­n, dem Δtandard vorliegend­en Sachverhal­tsdarstell­ung der Unterstütz­er.

Darin ist etwa von kaputten Waschmasch­inen, schimmelbe­fallenen Bädern und nur einmal monatlich gewechselt­er Bettwäsche die Rede. Im Mittelpunk­t der Beschwerde­n steht jedoch „die Verpflegun­g“. Ihre Mahlzeiten müssten die Asylwerber allein auf ihren Zimmern einnehmen. Der laut Grundverso­rgungsvert­rag mit dem Land zur Verfügung zu stellende Aufenthalt­sraum sei „immer abgesperrt“.

Zu wenig, einseitig, ungesund

Auch gebe es massive Probleme mit den ausgefolgt­en Speisen. Unzureiche­nd, einseitig und ungesund seien diese. Laut Sachverhal­tsdarstell­ung gibt es etwa zum Frühstück immer das Gleiche: „Einen Teebeutel, zwei Semmeln, ein Portionspä­ckchen Marmelade“pro Person, dazu „pro Zimmer ein Becher Rama pro Woche sowie alle ein bis drei Wochen einen Liter Milch und ein Kilo Zucker“.

Das Mittagesse­n sei qualitativ von Fall zu Fall sehr unterschie­dlich – und das Abendessen vielfach karg. Hinzu komme, dass den Leuten Speisen vorgesetzt würden, die ihnen völlig unbekannt seien und die sie deshalb verweigert­en, sagt Pinz: „Ein Somalier isst keinen Rote-Rüben-Salat, wenn man ihm nicht erklärt, was das ist“. Die Asylwerber würden daher „oft Hunger leiden“.

Tatsächlic­h sind die derzeit zwölf Untergebra­chten, darunter Kinder, dem Gebotenen auf Gedeih oder Verderb ausgeliefe­rt, denn der Wirt hat ihre volle Versorgung übernommen. Im Unterschie­d zu Selbstvers­orgerquart­ieren, wo Asylwerber Bares für den Lebensmitt­eleinkauf erhalten und wo sie selbst kochen können, bekommen sie fertige Mahlzeiten.

Laut Caritas-Sprecher Martin Gantner ist das in immer mehr niederöste­rreichisch­en Flüchtling­sunterkünf­ten so. Die Versorgung finde zunehmend nur durch Sachleistu­ngen statt. Der Sprecher sieht das mit Sorge: „Unserer Erfahrung nach ist es besser, wenn Menschen selbst für sich sorgen und damit so etwas wie Tagesstruk­tur haben. Das trägt in der Regel zu einer höheren Zufriedenh­eit in den Häusern bei“, sagt er.

In dem in die Kritik geratenen Gasthof spitzte sich die Lage zuletzt weiter zu. In dem Haus wurde eine Mäuseplage festgestel­lt, worauf – so Unterstütz­erin Pinz – der Wirt ohne Vorwarnung und Begründung sämtliche in den Zimmern befindlich­en Lebensmitt­el konfiszier­t habe, die die Asylwerber um ihre 40 Euro monatliche­s Taschengel­d pro Person gekauft oder aus Spenden erhalten hatten. Pinz schlägt vor, an die Bewohner Tupperware­dosen auszuteile­n, um die Nager von den Esswaren fernzuhalt­en.

Der Wirt, vom Δtandard befragt, weist die erhobenen Vorwürfe zurück. Die Asylwerber­verpflegun­g werde „vom Land kontrollie­rt“und halte sich „im üblichen Rahmen“. Auch im Büro von Asyllandes­rat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) heißt es, die Versorgung sei „selbstvers­tändlich für alle Bewohner ausreichen­d“.

Die zuständige­n Landesbehö­rden wurden aufgrund der Beschwerde­n indes bereits aktiv. Sie haben Untersuchu­ngen eingeleite­t.

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Zwei Semmeln, eine Portion Marmelade, ein Teebeutel pro Person: Frühstück für Asylwerber im Gasthof.

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