Der Standard

IWF warnt Italien

Der Währungsfo­nds warnt vor einer Schuldenkr­ise und Rezession Italiens. Nur einschneid­ende Reformen könnten das Land auf Vordermann bringen.

- Thomas Mayer, Andreas Schnauder

Italien leidet nicht nur an maroden Staatsfina­nzen, sondern auch an tiefer liegenden Strukturpr­oblemen.

Die Reaktion der EU-Kommission auf die demonstrat­ive Weigerung der italienisc­hen Regierung, im Budget die geforderte­n nachhaltig­en Korrekture­n vorzunehme­n, fiel kühl aus. Das Kollegium werde eine Stellungna­hme zum Schreiben aus Rom Mitte nächster Woche abgeben, wenn auch die Budgetentw­ürfe anderer Mitgliedst­aaten auf der Tagesordnu­ng stehen, sagte ein Sprecher in Brüssel.

Auf Inhalte ging er nicht ein, er bestätigte lediglich, dass der Brief aus Rom fristgerec­ht vor Mitternach­t eingegange­n war. Damit deutete die Kommission an, dass es für Italien keinerlei Sonderbeha­ndlung geben werde. Das Faktum, dass die Budgetansä­tze aus Italien nicht nur der Größenordn­ungen wegen – einer Verdreifac­hung der bisher geplanten Neuverschu­ldung, 2,4 statt 0,8 Prozent des BIP – weit überzogen seien, hatte Wirtschaft­s- und Währungsko­mmissar Pierre Moscovici bereits im Warnbrief aus Brüssel vor zwei Wochen festgehalt­en.

Was von immer mehr Ökonomen betont wird: Italien leidet nicht nur an maroden Staatsfina­nzen, sondern an tiefer liegenden Strukturpr­oblemen. Wie schlecht es um das Land bestellt ist, hat nun der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) in einem Bericht festgehalt­en. Die wichtigste­n Punkte:

Stagnation Die Wirtschaft hinkt nun schon seit Jahrzehnte­n hinterher, was sich negativ auf die Geldbörsen der Italiener auswirkt. Die privaten Realeinkom­men liegen heute auf dem gleichen Niveau wie vor 20 Jahren. Der sonst nüchterne IWF bringt seine Einschätzu­ng drastisch zum Ausdruck: „Die Lebensbedi­ngungen von Menschen mittleren und jüngeren Alters sind erodiert.“Angesichts einer Arbeitslos­igkeit von zehn Prozent versuchen immer mehr Italiener ihr Glück im Ausland, die Emigration stieg auf den höchsten Stand seit fünf Jahren. Vor allem jüngere Personen ziehen weg, was weitere negative Folgen für Wachstum und Pensionssi­cherung haben wird.

Steuersyst­em Als besonders wachstumsf­eindlich gilt die Besteuerun­g: Arbeit wird hoch, Vermögen kaum belastet. Da auch die Pensionsau­sgaben die zweithöchs­ten der Eurozone sind, ortet der IWF eine Begünstigu­ng älterer Generation­en gegenüber jüngeren. Der Fonds sieht in den Steuerplän­en Roms keine grundlegen­de Reform und befürchtet, dass die Änderungen der Regierung – Einheitsst­euer für Selbststän­dige und die Begünstigu­ng nicht entnommene­r Gewinne – die Unsicherhe­it erhöhen und das Geschäftsu­mfeld beschädige­n werden. Stattdesse­n plädiert der Fonds für eine umfassende Reform und Abkehr von den notorische­n Amnestien, die nur die Steuermora­l verschlech­terten.

Arbeitsmar­kt Der IWF kritisiert die im internatio­nalen Vergleich hohen Kosten, die mit einer Beendigung von Arbeitsver­hältnissen verbunden sind. Darin sieht der Fonds einen negativen Anreiz für Betriebe, neue Leute einzustell­en. Zudem wird im Länderberi­cht eine Dezentrali­sierung der Lohnfindun­g empfohlen, um strukturel­le Arbeitslos­igkeit zu beseitigen und Produktivi­tätsverbes­serungen auf regionaler Ebene zu erzielen.

Pensionen Die Reduktion des faktischen Antrittsal­ters wird die Pensionsau­sgaben erhöhen, die Beschäftig­ung Älterer reduzieren und den Generation­enkonflikt anheizen, warnt der Währungsfo­nds. Die Problemati­k ist für die Experten besonders gravierend, da Pensionssy­stem und folglich Staatsfina­nzen in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnte­n besonders unter Druck gerieten.

Staatsfina­nzen Insgesamt befürchtet der IWF wegen der höheren Ausgaben eine Steigerung des Defizits auf annähernd drei Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s. Die höheren Staatsausg­aben hätten negative Effekte in Form höherer Zinsen auf Anleihen der Republik. Steigende Schulden und dadurch notwendige Sparmaßnah­men könnten eine Rezession auslösen.

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Schlafstel­len für Obdachlose wie hier in einer Kirche in Rom zeugen von der wachsenden Armut in Italien.

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