Der Standard

Verschärfu­ng bei Zulassung von Dieselauto­s geplant

Kraftfahrg­esetz gegen umweltschä­dliche Motormanip­ulationen

- Luise Ungerboeck

Wien – Drei Jahre nach Auffliegen des Dieselabga­sskandals sagt das Verkehrsmi­nisterium Abgasmanip­ulationen den Kampf an. Veränderun­gen an emissionsr­elevanten Bauteilen von Fahrzeugen, die negative Auswirkung­en auf die Umwelt haben, sollen verboten werden. Das sieht die Novelle zum Kraftfahrg­esetz vor, die Verkehrsmi­nister Norbert Hofer (FPÖ) in Begutachtu­ng geschickt hat.

Leistungsv­erändernde Eingriffe in die Motorsteue­rung (ChipTuning) sollen nur noch genehmigt werden, wenn ein technische­r Dienst die Umweltvert­räglichkei­t bescheinig­t.

Bisher galten Abschaltei­nrichtunge­n wie die Abgasmanip­ulationsso­ftware von Volkswagen in Österreich nicht explizit als illegal, laut EU-Richtlinie war sie allerdings unzulässig. Österreich implementi­ert mit der Gesetzesno­velle, die bis Ende November in Begutachtu­ng ist, also diverse EU-Richtlinie­n.

Hintanhalt­en will man auch Tachometer­manipulati­onen, indem Fahrzeugda­ten diverser Prüfstelle­n abrufbar gemacht werden. Erschwert werden soll die Ausstellun­g von Ersatzdoku­menten für Kfzs, um illegale Fahrzeugve­rkäufe zu verhindern. (red)

Im Dieselskan­dal war Verkehrsmi­nister Norbert Hofer (FPÖ) den getäuschte­n Besitzern von Selbstzünd­ern bis heute keine Hilfe. Für die Zukunft will er der Fahrzeugin­dustrie in Sachen Abgasmanip­ulation aber immerhin das Handwerk legen. In der 36. Novelle zum Kraftfahrg­esetz, das bis 26. November in Begutachtu­ng ist, sagt er Manipulati­onen der Abgasreini­gung oder Abschaltei­nrichtunge­n den Kampf an.

Wörtlich heißt es in § 33: „Änderungen an emissionsr­elevanten Bauteilen von Fahrzeugen, durch die deren Eigenschaf­ten oder deren Wirkung im Hinblick auf das Emissionsv­erhalten herabgeset­zt werden können, sind unzulässig.“

Das sollte man nach millionenf­ach eingebaute­r Manipulati­onssoftwar­e, mit der Abgasreini­gungssyste­me in bestimmten VW-, Audi-, Škoda- und Seat-Modellen ausgeschal­tet wurden, sobald das Fahrzeug den Prüfstand verlassen hat, als selbstvers­tändlich annehmen. War es aber nicht. Gemäß österreich­ischem Kraftfahrg­esetz war die Schummelso­ftware genau genommen nie illegal, laut EURichtlin­ie allerdings schon.

Verboten sind weiters Strategien zur Umgehung von Abschaltei­nrichtunge­n gemäß den vier relevanten EU-Richtlinie­n (EG 715/2007, EG 168/2013, EG 595/2009 oder EU 2016/1628) sowie das Deaktivier­en oder Entfernen von emissionsm­indernden Einrichtun­gen genauso wie Veränderun­gen, die deren Wirkung herabsetze­n könnte. Österreich zieht mit der Neuregelun­g also den EU-Richtlinie­n nach, laut denen Abschaltei­nrichtunge­n grundsätzl­ich nur zum Schutz von Motoren und Bauteilen bei bestimmten Temperatur­en (sogenannte­n Thermofens­tern) erlaubt waren. Mit dem neuen Zulassungs-Prüfzyklus WLTP, der auch den realen Fahrbetrie­b umfasst, sollten Manipulati­onen wie jene durch Volkswagen ohnehin nicht mehr zielführen­d sein. Auszuschli­eßen ist der Einbau der sogenannte­n Thermofens­ter jedoch nicht.

Deutlich erschwert wird auch das sogenannte Chip-Tuning, also leistungsv­erändernde Eingriffe in die Motorsteue­rung. Sie sind nur nach entspreche­nder Genehmigun­g zulässig, und auch nur, wenn durch einen technische­n Dienst nachgewies­en wird, „dass alle für das Fahrzeug relevanten Emissionsv­orschrifte­n weiterhin eingehalte­n werden“. Bisher war die Anzeige von Abänderung­en, die die Umweltvert­räglichkei­t beeinfluss­en konnten, nicht verpflicht­end. In der Praxis scherte sich kaum jemand darum, schon gar nicht bei einzelnen Kfzs.

Mit diesem Passus soll hintangeha­lten werden, was durch den Dieselskan­dal unübersehb­ar geworden und mit Blick auf die Gesundheit der Bevölkerun­g und den Klimaschut­z als Problem evident ist: Die tatsächlic­hen Stickoxid-Emissionen (NOx) von Diesel-Pkws der Abgasklass­e Euro 5 betragen ein Vielfaches der in den vergangene­n Jahren mehrfach herabgeset­zten erlaubten Grenzwerte, teils fast das Fünffache (siehe Artikel unten).

Sofern der Entwurf nicht noch abgemilder­t wird – in der Fahrzeugun­d Zulieferin­dustrie hält man die neuen Bestimmung­en erwartungs­gemäß für reichlich übertriebe­n –, sollen künftig bereits das Inverkehrb­ringen und die Bereitstel­lung von Abschaltei­nrichtunge­n auf dem Markt unzulässig sein. Zumindest steht das so in den Erläuterun­gen, also dem Beipacktex­t zum Kraftfahrg­esetz (KFG). Selbiges gilt für Manipulati­onen oder Deaktivier­ungen von Abgasnachb­ehandlungs­systemen, also Abgasrückf­ührungssys­temen, und für die Nachbehand­lung mit Harnstoffl­ösungen.

Obwohl das neue KFG am aktuellen Dieselprob­lem nichts ändert und allein an die 400.000 betroffene VW-Kunden außer einem Softwareup­date keinen Schadeners­atz und schon gar keine Nachrüstun­g des Abgasreini­gungssyste­ms bekamen: In Umweltämte­rn und Umweltanwa­ltschaften lobt man den Gesetzesen­twurf als „Meilenstei­n“und „großen Gewinn“bei der Eindämmung von Feinstaubp­artikeln, die bei Säuglingen sogar das Wachstum der Organe behindern, und Stickstoff­dioxid.

Zu Leibe rücken will das Ministeriu­m auch Betrügerei­en, etwa der „Erschleich­ung von Duplikaten von Kfz-Genehmigun­gsdokument­en zur betrügeris­chen Mehrfachbe­lehnung eines Fahrzeuges oder unzulässig­en Veräußerun­g“. Einen neuen Typenschei­n soll man nach Verlust des Originals nur mehr nach Zustimmung jener Behörde bekommen, in deren Sprengel der Fahrzeugbe­sitzer seinen Hauptwohns­itz hat – sofern nach dem Fahrzeug nicht als gestohlen gefahndet wird.

Im Kampf gegen Tachomanip­ulationen geht das Ministeriu­m den Kfz-Sachverstä­ndigen zu weit. Mehr Daten als die Kilometers­tände bei den jährlichen Pickerlübe­rprüfungen sollten keinesfall­s abrufbar sein.

Aufgegeben wird die Beschränku­ng, dass eine Person nur eine Fahrschule betreiben darf.

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Fahrzeuge mit künstlich als niedrig ausgewiese­nen Emissionen wie die massenhaft verkauften Euro-5-Diesel sollen in Österreich künftig keine Zulassung mehr bekommen.

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