Wie die Briten doch noch einmal entscheiden könnten
Aus Sicht Brüssels ist der Deal, den man mit London geschlossen hat, wohl jener, der gilt. In Großbritannien ergeben sich nun hingegen zahlreiche neue Szenarien – keines davon bietet aber eine reibungslose Lösung.
Frage: Was passiert, wenn der von EU und London ausverhandelte Deal keine Zustimmung findet? Antwort: Schwer zu sagen. Die konservativen Hardliner träumen von einem harten Brexit, einer klaren Trennung zwischen der EU und Großbritannien. Großbritannien hätte in diesem Szenario privilegierten Zugang zum EU-Binnenmarkt, könnte aber gleichzeitig eigene Handelsverträge abschließen. Die EU lehnt diese Variante jedoch als Rosinenpickerei ab. Im schlimmsten Fall kommt es zum chaotischen No-Deal-Szenario, zum ungeordneten Austritt ohne Abkommen. Um diesen Fall zu verhindern, stehen die Szenarien Neuwahlen oder zweites Referendum im Raum.
Frage: Ist ein weiteres Brexit-Referendum möglich? Antwort: Theresa May hat es wiederholt ausgeschlossen. Aber das könnte Taktik sein: Auch Neuwahlen hatte sie stets ausgeschlossen, sie dann im Frühjahr 2017 dennoch relativ ansatzlos vom Zaun gebrochen. Wegen des knappen Zeitrahmens gibt es aber Bedenken, ob es überhaupt durchführbar wäre: Experten gehen von einem Zeitraum von 22 Wochen zwischen dem Entscheid für ein Referendum und der Abstimmung selbst aus. Damit würde die Deadline vom 29. März deutlich überschritten werden. Eine Verlängerung der Frist wäre zwar möglich, würde aber Komplikationen mit der im Mai 2019 stattfindenden EU-Wahl verursachen.
Frage: Wie würde ein zweites Referendum ausgehen? Antwort: Jüngsten Umfragen zufolge würde mittlerweile eine knappe Mehrheit für den Verbleib stimmen, sämtliche Abstände sind aber so knapp, dass sich keine sichere Aussage treffen lässt.
Frage: Und Neuwahlen? Antwort: Neuwahlen wären für May ein massives Risiko. Sie hat bereits schlechte Erfahrungen gemacht, als sie 2017 siegessicher ein Unterhausvotum ausrief und dann nur knapp und mit verminderter Mehrheit gegen Jeremy Corbyns Labour-Partei gewann. Umfragen legen nahe, dass nicht die Tories, sondern Labour die Wahlen gewinnen würde, womöglich aber auch nicht mit einer absoluten Mandatsmehrheit. Die Sozialdemokraten wären dann womöglich auf die EU-freundlichen Liberaldemokraten angewiesen, was Corbyns Vorstellungen erschweren würde, zwar „weich“, aber doch aus der EU auszusteigen. Bleibt die dritte Möglichkeit: Schafft es May, 1) erneut als Spitzenkandidatin aufgestellt zu werden und 2) zu gewinnen, würde sie gestärkt aus den Neuwahlen hervorgehen. Dann könnte sie mehr Druck auf die Hardliner ihrer Partei ausüben, damit diese ihren Plan unterstützen. Bleibt ein letztes Problem: die knappe Zeit.