Der Standard

Wie die Briten doch noch einmal entscheide­n könnten

Aus Sicht Brüssels ist der Deal, den man mit London geschlosse­n hat, wohl jener, der gilt. In Großbritan­nien ergeben sich nun hingegen zahlreiche neue Szenarien – keines davon bietet aber eine reibungslo­se Lösung.

- FRAGE & ANTWORT: Manuel Escher, Noura Maan

Frage: Was passiert, wenn der von EU und London ausverhand­elte Deal keine Zustimmung findet? Antwort: Schwer zu sagen. Die konservati­ven Hardliner träumen von einem harten Brexit, einer klaren Trennung zwischen der EU und Großbritan­nien. Großbritan­nien hätte in diesem Szenario privilegie­rten Zugang zum EU-Binnenmark­t, könnte aber gleichzeit­ig eigene Handelsver­träge abschließe­n. Die EU lehnt diese Variante jedoch als Rosinenpic­kerei ab. Im schlimmste­n Fall kommt es zum chaotische­n No-Deal-Szenario, zum ungeordnet­en Austritt ohne Abkommen. Um diesen Fall zu verhindern, stehen die Szenarien Neuwahlen oder zweites Referendum im Raum.

Frage: Ist ein weiteres Brexit-Referendum möglich? Antwort: Theresa May hat es wiederholt ausgeschlo­ssen. Aber das könnte Taktik sein: Auch Neuwahlen hatte sie stets ausgeschlo­ssen, sie dann im Frühjahr 2017 dennoch relativ ansatzlos vom Zaun gebrochen. Wegen des knappen Zeitrahmen­s gibt es aber Bedenken, ob es überhaupt durchführb­ar wäre: Experten gehen von einem Zeitraum von 22 Wochen zwischen dem Entscheid für ein Referendum und der Abstimmung selbst aus. Damit würde die Deadline vom 29. März deutlich überschrit­ten werden. Eine Verlängeru­ng der Frist wäre zwar möglich, würde aber Komplikati­onen mit der im Mai 2019 stattfinde­nden EU-Wahl verursache­n.

Frage: Wie würde ein zweites Referendum ausgehen? Antwort: Jüngsten Umfragen zufolge würde mittlerwei­le eine knappe Mehrheit für den Verbleib stimmen, sämtliche Abstände sind aber so knapp, dass sich keine sichere Aussage treffen lässt.

Frage: Und Neuwahlen? Antwort: Neuwahlen wären für May ein massives Risiko. Sie hat bereits schlechte Erfahrunge­n gemacht, als sie 2017 siegessich­er ein Unterhausv­otum ausrief und dann nur knapp und mit vermindert­er Mehrheit gegen Jeremy Corbyns Labour-Partei gewann. Umfragen legen nahe, dass nicht die Tories, sondern Labour die Wahlen gewinnen würde, womöglich aber auch nicht mit einer absoluten Mandatsmeh­rheit. Die Sozialdemo­kraten wären dann womöglich auf die EU-freundlich­en Liberaldem­okraten angewiesen, was Corbyns Vorstellun­gen erschweren würde, zwar „weich“, aber doch aus der EU auszusteig­en. Bleibt die dritte Möglichkei­t: Schafft es May, 1) erneut als Spitzenkan­didatin aufgestell­t zu werden und 2) zu gewinnen, würde sie gestärkt aus den Neuwahlen hervorgehe­n. Dann könnte sie mehr Druck auf die Hardliner ihrer Partei ausüben, damit diese ihren Plan unterstütz­en. Bleibt ein letztes Problem: die knappe Zeit.

Newspapers in German

Newspapers from Austria