Der Standard

Ein „unglücklic­hes Gesetz“als Vorbild für Österreich

Die Regierung möchte nicht nur ein „digitales Vermummung­sverbot“, sondern auch eine Art Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetz einführen. Die Pläne sorgen bei Experten für Verwunderu­ng und Kritik.

- Fabian Schmid, Muzayen Al-Youssef

Frage: Wie ist die aktuelle rechtliche Lage, und was plant die Regierung? Antwort: Betreiber sind bei Postings, die geltendes Recht brechen könnten, auf Anfrage dazu verpflicht­et, die Userdaten, die ihnen bekannt sind, weiterzure­ichen. Dazu gehören etwa Name, E-MailAdress­e und Postanschr­ift. Sie müssen die Daten jedoch nicht unbedingt sammeln. So ist bei manchen Anbietern eine Registrier­ung nur mit E-Mail-Adresse möglich, wobei Nutzer Wegwerfadr­essen verwenden könnten.

Frage: Wie soll eine Registrier­ung funktionie­ren? Antwort: Schon jetzt verbietet etwa Facebook die Nutzung von falschen Namen – eine effektive Mög- lichkeit, sie zu verifizier­en, ist nicht im Einsatz. Der Wiener Rechtsanwa­lt und IT-Experte Lukas Feiler denkt, dass vor allem die IP-Adresse eine entscheide­nde Rolle spielen könnte. Schon derzeit kann die Staatsanwa­ltschaft bei Providern Auskunft darüber verlangen. Die Regierung könnte die Auskunftsp­flicht nun auch bei privaten Klägern ermögliche­n.

Frage: Welche Probleme könnte es hierbei geben? Antwort: Kläger könnten die Identität von Whistleblo­wern oder Kritikern herausfind­en, ohne dass sich diese rechtlich strafbar gemacht hätten. Bevor gegenüber Privaten Auskunft erteilt wird, müssten daher die Vorwürfe erst geprüft werden – die Frage, ob etwas an den Vorwürfen dran sei, würde dann also auf den Zeitpunkt der Auskunftse­rteilung „vorverlage­rt“, sagt Feiler. Medienmini­ster Gernot Blümels (ÖVP) Pressestel­le räumt selbst ein, dass dynamische IP-Adressen schwierig zu verfolgen sind. Außerdem können IP-Adressen leicht verschleie­rt werden – etwa mittels VPN oder über ein öffentlich­es Netzwerk.

Frage: Was ist das Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetz (NetzDG)? Antwort: Ein weiterer Vorschlag der Regierung ist offenbar eine Austro-Variante des deutschen Netzwerkdu­rchsetzung­sgesetzes. Dieses verpflicht­et Internetpl­attformen seit Oktober 2017, Hasspostin­gs binnen 24 Stunden zu löschen. Die Kritik an dem Gesetz war groß, auch Feiler bezeichnet es als „verunglück­tes Gesetz mit unbestimmt­en Regelungen“. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis der Europäisch­e Gerichtsho­f ( EuGH) sich mit dem Gesetz beschäftig­en werde, denkt Feiler. Problemati­sch ist etwa die Verlagerun­g der Entscheidu­ng über Redefreihe­it in die Hände privater Konzerne.

Frage: Würden Facebook und andere Konzerne da mitspielen? Antwort: Die Frage ist, was die Regierung konkret plant. Schon jetzt sieht die geltende Rechtslage eine Auskunftsp­flicht gegenüber der Staatsanwa­ltschaft vor. „Nicht jedes Problem erfordert ein neues Gesetz“, sagt Feiler.

Frage: Wie regelt das NetzDG die Problemati­k? Antwort: In Deutschlan­d müssen Konzerne, die sich nicht an die NetzDG halten, Bußgelder in Millionenh­öhe zahlen. Eine Verurteilu­ng gab es aber seit Inkrafttre­ten des Gesetzes im Jänner nicht. Die Plattforme­n mussten zudem eigene Zustellung­sbevollmäc­htigte in Deutschlan­d einstellen, die sich um Meldungen kümmern. Medienrech­tsanwältin Maria Wind- hager sagt zum Δtandard, dass Deutschlan­d hier eine stärkere Position hat. „Ob die österreich­ische Regierung ausländisc­he Konzerne im Alleingang, ohne eine entspreche­nde europäisch­e Initiative, reglementi­ert, ist die Frage.“

Frage: Was wäre in der Causa Sigrid Maurer anders gelaufen? Antwort: Nichts. Windhager erklärt, dass es sich um eine „vollkommen andere Fallkonste­llation“handle, die mit den jetzigen Ankündigun­gen nichts zu tun habe. Das Problem lag nicht darin, dass Provider nicht erfolgreic­h belangt werden können, sondern in der Verifizier­ung der Urhebersch­aft der obszönen Nachrichte­n an Maurer. Nach aktueller Rechtslage muss Maurer nachweisen, dass der Text, der über das Facebook-Konto des Bierlokalb­etreibers an sie versandt wurde, auch wirklich von ihm stammt. Ein „digitales Vermummung­sverbot“nützt in diesem Fall also nichts – dabei war er der Anlass.

Newspapers in German

Newspapers from Austria