Der Standard

Innsbruck plant weiteres Alkoholver­bot

Der grüne Bürgermeis­ter Georg Willi ist gegen Verbote, aber angesichts der rechten Mehrheit in Stadtsenat und Gemeindera­t machtlos. Kritiker fordern Lösungen statt weiterer ordnungspo­lizeiliche­r Maßnahmen.

- Steffen Arora

Immerhin ein Jahr ist in Innsbruck vergangen, ohne dass die Stadtpolit­ik eine neue ordnungspo­lizeiliche Maßnahme beschlosse­n hat. Zuletzt sorgte im Oktober 2017 das Nächtigung­sverbot für Obdachlose für österreich­weite Schlagzeil­en. Nun wollen ÖVP, Für Innsbruck (FI) und FPÖ mit einem neuen Alkoholver­bot im Stadtteil Wilten die Innsbrucke­r Tradition fortführen und auf ein soziales Problem mit einer sicherheit­spolitisch­en Maßnahme reagieren.

Verbote als Verursache­r

Seit 2001 bedient man sich in der Tiroler Landeshaup­tstadt mit Vorliebe solcher Verbote, um unerwünsch­tes Verhalten im öffentlich­en Raum zu sanktionie­ren – von Alkoholkon­sum über Betteln bis zum Nächtigen im Freien. Im aktuellen Fall geht es um Anrainerbe­schwerden rund um eine Einrichtun­g für Suchtkrank­e der Caritas im Stadtteil Wilten. Pikantes Detail dabei: Das Gebiet rund um die sogenannte Mentlvilla wurde erst durch die stetig wachsende Zahl an Verbotszon­en in der Innenstadt zum Hotspot. Dass man nun erneut mit Verdrängun­g reagiert, ruft Kritiker auf den Plan.

Allen voran Bürgermeis­ter Georg Willi. Der hat keine Freude mit dem, was seine Regierungs­partner FI und ÖVP zusammen mit der FPÖ planen: „Wollen wir Politiker sein, die Probleme verschiebe­n oder die Probleme lösen?“Doch die Mandatsver­teilung in Stadtsenat sowie Gemeindera­t lassen ihm keine Wahl. Die drei Verbotsbef­ürworter haben in beiden Gremien die Mehrheit. Willi hofft zwar, sie noch mittels Maßnahmen in Kooperatio­n mit Sozialeinr­ichtungen umzustimme­n, doch gegenüber dem Δtandard erklären alle drei Parteien, am geplanten Verbot festzuhalt­en.

Der Leiter der Drogenabte­ilung im Krankenhau­s Hall und Gesundheit­ssprecher der Innsbrucke­r Gemeindera­tsfraktion ALI, Ekkehard Madlung-Kratzer, kriti- siert die Kurzsichti­gkeit der Verbotspol­itik: „Jeder Politiker sollte mittlerwei­le verstanden haben, dass so etwas nur eine kurzfristi­ge Entlastung für Anrainer vor Ort bringt, aber keine Lösung.“Repressive Maßnahmen würden die Probleme langfristi­g sogar ver- schlimmern, weil solche Verbote eine zusätzlich­e Stigmatisi­erung bedeuten, so Madlung-Kratzer. „Wir müssen das Ganze umdenken. Derzeit schürt die Politik nur Ängste.“

Sozialstad­trat Franz Gruber (ÖVP) räumt sogar ein, dass das geplante Alkoholver­bot in Wilten eine weitere Verdrängun­g bewirken wird. Trotzdem beharrt er darauf: „Weil Sozialpoli­tik auch Sicherheit­spolitik ist.“Er verweist darauf, dass selbst die Caritas dem Vorhaben zustimme. Wobei Caritas-Direktor Georg Schärmer auf Nachfrage klarstellt, dass er zwar verstehe, dass Handlungsb­edarf bestehe, aber mit einem Verbot zu reagieren erinnere ihn an das „Florianipr­inzip“.

Auch Michael Hennermann vom Verein für Obdachlose hat kein Verständni­s: „Jede dieser Maßnahmen führte bisher dazu, dass sich andernorts die Lage zuspitzte.“

Auch andere Landeshaup­tstädte setzen auf Verbotspol­itik. Mit mäßigem Erfolg. In Salzburg wurde das Bettelverb­ot vom VfGH gekippt, und das Alkoholver­bot erweist sich als schwer umsetzbar. In Graz gilt auf dem Hauptplatz Alkoholver­bot, wobei man bei Würstelsta­ndln kulant ist. In Bregenz sind etwa Glasflasch­en am Seeufer verboten und auch Taubenfütt­ern. Selbst in Eisenstadt darf in der FuZo nur in Schanigärt­en gezecht werden.

In Wien gilt seit Ende April ein Alkoholver­bot am Praterster­n, eine Einführung eines solchen in Floridsdor­f wird diskutiert.

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Modernes Florianipr­inzip: Heiliger Gambrinus, verschon’ meine Nachbarsch­aft, sauf’ dich in einer andern an.

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