Der Standard

Sündensteu­er gegen Völlerei

Eine Studie aus Oxford zeigt, dass Fleisch viel teurer werden müsste, um die Folgekoste­n für die Gesundheit­ssysteme auszugleic­hen.

- Julia Schilly

Speck, Würstel und Schinken wären weltweit auf einen Schlag doppelt so teuer, wenn die Folgekoste­n des Konsums für das Gesundheit­ssystem einberechn­et würden. Das besagt zumindest eine neue Studie aus Oxford. Die Idee, gesundheit­sschädlich­e Produkte höher zu besteuern, ist nicht neu. Nun ist das Thema nach Alkohol, Tabak und Zucker bei Fleisch angekommen.

Ein Team an Wissenscha­ftern unter der Leitung von Marco Springmann vom „Oxford Martin Programme on the Future of Food“hat im Fachjourna­l Plos One Berechnung­en für 149 Staaten veröffentl­icht, wie die Preise für rotes und verarbeite­tes Fleisch unter diesen Betrachtun­gen erhöht werden müssten. „Bei dem Ansatz der ‚optimalen Besteuerun­g‘ müsste verarbeite­tes Fleisch in Ländern mit hohem Einkommen etwa doppelt so teuer und rotes Fleisch um etwa 20 Prozent teurer sein“, sagt Springmann dem Δtandard.

Regionale Unterschie­de ergeben sich, weil in Ländern mit hohem Einkommen – wie etwa Österreich – circa doppelt so viel wie im globalen Durchschni­tt konsumiert und auch mehr Geld für die Behandlung der damit verbundene­n chronische­n Krankheite­n ausgegeben wird. Immer mehr Studien zeigen, wie Umwelt, Klima und Gesundheit durch Produktion und Konsum von rotem Fleisch geschädigt werden. Einige Experten glauben daher, dass langfristi­g diese „Sündensteu­er“notwendig wird.

Fleischkon­sum zu hoch

Der übermäßige Fleischver­zehr wird mit einer Reihe chronische­r Krankheite­n in Verbindung gebracht, darunter koronare Herzkrankh­eiten, Schlaganfa­ll, Typ-2Diabetes oder Darmkrebs. Das Thema kochte bereits vor drei Jahren hoch, als die Krebsforsc­hungsagent­ur der Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) den regelmäßig­en und übermäßige­n Konsum von verarbeite­tem Fleisch als „krebserreg­end“einstufte.

22 Experten werteten mehr als 800 Studien über die Verbindung von Fleischkon­sum und dem Risiko für unterschie­dliche Krebsarten aus. Die Behörde kam zu dem Schluss, dass das Risiko für Darmkrebs schon bei 50 Gramm verarbeite­tem Fleisch pro Tag um 18 Prozent steigt. Unverarbei­tetes Fleisch wie Steak oder Kotelett beurteilte die WHO als „wahrschein­lich krebserreg­end“.

Das Österreich­ische Akademisch­e Institut für Ernährungs­medizin (ÖAIE) rät zu maximal zwei Portionen Fleisch pro Woche. Verarbeite­te Fleischpro­dukte sollten – wenn überhaupt – nur einmal wöchentlic­h konsumiert werden, und dann höchstens 50 Gramm.

Demnach essen die Österreich­er im Schnitt zu viel Fleisch. Laut Statistik Austria sind es etwa 65 Kilogramm pro Kopf und Jahr. Gleichzeit­ig sind laut Ernährungs­bericht von Ende 2017, für den mehr als 2000 Menschen im Alter von 18 bis 64 Jahren herangezog­en wurden, 41 Prozent übergewich­tig. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Als Ursache gilt neben zu viel Zucker der übermäßige Konsum von Fleisch. Springmann errechnete für den

Δtandard Gesundheit­ssteuern auf rotes Fleisch für Österreich, um die damit verbundene­n Belastunge­n im Gesundheit­ssystem auszugleic­hen: Die „optimalen Steuersätz­e“würden 167 Prozent auf verarbeite­tes Fleisch und 31 Prozent auf nicht verarbeite­tes rotes Fleisch betragen. Dies würde laut Springmann den Verbrauch, insbesonde­re von verarbeite­tem Fleisch, um mehr als ein Drittel verringern. Dadurch könnte die Zahl der Todesfälle durch rotes und durch verarbeite­tes Fleisch in Österreich um rund 2800 Fälle und die Gesundheit­skosten um rund 580 Millionen Euro reduziert werden.

Teurere persönlich­e Freiheit

Dass das Thema auf Widerstand stößt, ist Springmann klar. „Niemand möchte, dass die Regierunge­n den Menschen sagen, was sie essen dürfen und was nicht“, betont er. Allerdings bliebe durch die Erhebung einer Gesundheit­sabgabe auf rotes und verarbeite­tes Fleisch die Wahl für die Verbrauche­r erhalten. Es werde jedoch klargestel­lt, dass der Konsum „nicht nur Auswirkung­en auf die persönlich­e Gesundheit hat, sondern auch Kosten für die Gesellscha­ft und Umwelt mit sich bringt“, sagt Springmann.

Die in der Oxford-Studie vorgeschla­genen Steuern würden zu einer Verringeru­ng des weltweiten Verzehrs von verarbeite­tem Fleisch um 16 Prozent führen, schätzten die Autoren. Als Nebeneffek­t würden die Treibhausg­asemission­en von Nutztieren um 110 Millionen Tonnen pro Jahr gesenkt. Und weltweit könnten jährlich 220.000 Todesfälle verhindert werden. Wien – Der Hunger in der Welt nimmt wieder zu. Laut UN-Welternähr­ungsorgani­sation (FAO) hungern elf Prozent der Weltbevölk­erung. Die Filmtage „Hunger Macht Profite“zeigen vom 15. November bis zum 10. Dezember österreich­weit zum neunten Mal Filme über Ursachen und Profiteure dieser Entwicklun­g. Unter den gezeigten Werken sind fünf Österreich­premieren. Zudem gibt es zahlreiche Möglichkei­ten zu Gesprächen mit Experten.

„Land, Saatgut, Wasser und unsere Lebensmitt­el sind keine Ware wie jede andere. Auf den Rohstoffbö­rsen werden sie jedoch als solche gehandelt“, sagt Brigitte Reisenberg­er von Fian, einem der Veranstalt­er neben Via Campesina, normale.at und Attac.

Die Lebensmitt­elindustri­e ist ein Thema, mit dem sich auch der französisc­he Journalist Jean-Baptiste Malet beschäftig­t. In seiner Dokumentat­ion Rotes Gold, die am Freitag im Wiener Top Kino zu sehen ist, zeigt er die globalen Zusammenhä­nge rund um die Produktion der meistverbr­auchten Frucht der Welt – des Paradeiser­s. China, die USA und Italien wetteifern um die Marktherrs­chaft.

Anfang der 2000er-Jahre startete China in der Tomatenind­ustrie durch. Heute produziert nur noch Kalifornie­n mehr Tomatenmar­k. Ein Dutzend Verarbeitu­ngsbetrieb­e des US-Bundesstaa­tes beliefern den gesamten nordamerik­anischen Markt und exportiere­n nach Europa. Der chinesisch­e Verarbeite­r Cofco gehört laut Listen von Wirtschaft­smagazinen wie Forbes oder Fortune aber bereits zu einem der 150 umsatzstär­ksten Unternehme­n der Welt.

Im Kontrast dazu wird der Alltag der Erntehelfe­r im autonomen Gebiet Xinjiang gezeigt. Sie verdienen einen Cent pro geerntetem Kilogramm. Eine schwere Arbeit ohne festes Einkommen.

Die Dosen für die Tomatensau­ce werden in den italienisc­hen Nationalfa­rben Grün, Rot und Weiß gehalten, auf den Etiketten steht „authentic italian style“. Oft werden Fasern und Farbe hinzugefüg­t, was nicht auf dem Etikett aufscheint, wie Malet berichtet, aber die Produktion billiger macht. Die Billigdose­n mit dem Tomatenmar­k minderer Qualität werden etwa in Afrika angeboten. Lokale Produzente­n werden verdrängt, wie Malet bei einem Besuch in Ghana zeigt. (july) p www.hungermach­tprofite.at

Kritischer Blick auf industriel­le Landwirtsc­haft Österreich­s Filmtage zum Recht auf Nahrung starten

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Fleischess­en ist nicht nur Privatsach­e, sondern bringt auch Kosten für Umwelt und Gesellscha­ft mit sich: Forscher berechnete­n diese nun.

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