Der Standard

Wien wächst weniger stark

Die Zuwanderun­g nach Wien hat zuletzt deutlich abgenommen. Die Stadt geht in ihrer Bevölkerun­gsprognose davon aus, dass dieser Trend fortgesetz­t wird. Der Anteil Hochbetagt­er wird trotz eines Geburtenpl­us stark steigen.

- David Krutzler

Die aktuelle Bevölkerun­gsprognose geht davon aus, dass Wien nur noch mäßig wächst. Die Zweimillio­nenmarke soll 2027 geknackt werden.

Naturkatas­trophen, Klimawande­l oder – durch kurzfristi­ge Ereignisse in anderen Staaten ausgelöste – Fluchtund Migrations­bewegungen lassen sich in keine Wiener Bevölkerun­gsprognose einrechnen. Laut den zur Verfügung stehenden Zahlen und Annahmen über die Entwicklun­g von Fertilität, Mortalität und Migration soll sich das zuletzt massive Wachstum der Stadt aber stark einbremsen. Das ist eine der Kernaussag­en der neuen Bevölkerun­gsprognose der MA 23 (Wirtschaft, Arbeit und Statistik), die alle vier bis fünf Jahre erstellt wird.

Abteilungs­leiter Klemens Himpele und Projektlei­ter Ramon Bauer wiesen darauf hin, dass Wien seit dem Jahr 2001 um gleich 340.000 Menschen gewachsen ist. Eine derartige Entwicklun­g habe es zuletzt in der Monarchie gegeben. Dieses Wachstum beruht zu 90 Prozent auf Zuwanderun­gsgewinnen, vor allem aus dem Ausland, aber auch aus anderen Bundesländ­ern. Für nur zehn Prozent des Wachstums zeichnete die positive Geburtenbi­lanz verantwort­lich.

Weniger Zuwanderun­g

Nach den großen Flüchtling­sbewegunge­n von 2015, als die Bevölkerun­gszahl innerhalb nur eines Jahres um rund 43.000 Menschen zulegte, setzte danach bereits eine moderatere Zunahme ein. Zuletzt gab es von 2017 auf 2018 vergleichs­weise nur noch ein Plus von rund 21.000 Personen. Diese Entwicklun­g soll sich weiter fortsetzen: Sinkende Zuwanderun­gszahlen sind damit der Hauptgrund für das schwächer prognostiz­ierte Wachstum. Himpele: „In den nächsten Jahren ist mit einer Entspannun­g zu rechnen.“

Neben der Zahl von Kriegsflüc­htlingen soll auch der signifikan­te Zuzug aus Osteuropa – vor allem nach der EU-Arbeitsmar­ktöffnung – deutlich zurückgehe­n. Die Wiener Bevölkerun­gsprognose geht davon aus, dass das Lohnniveau in den kommenden Jahren in diesen Ländern steigt. Auch in Zukunft sollen aber weit mehr Personen aus Deutschlan­d nach Wien kommen als umgekehrt. Zwischen 2008 und 2017 gab es ein Plus von 18.000 Personen. Die Bilanz mit der Türkei, einem historisch gesehen bedeutende­n Zuwanderun­gsland für Wien und auch für Österreich, ist hingegen inzwischen fast ausgeglich­en, sagt Bauer.

Gemäß den aktuellen Annahmen geht die MA 23 davon aus, dass Wien 2027 erstmals seit der Monarchie wieder zwei Millionen Einwohner haben wird. Der historisch­e Höchststan­d (2,088 Millionen) soll 2036 geknackt werden. Die Statistik Austria rechnete in früheren Prognosen nach 2015 damit, dass Wien bereits 2022 zwei Millionen Einwohner zählen könnte. Diese Annahme wurde im Vorjahr revidiert und auf 2026 verschoben.

Weiterhin positiv soll auch die Geburtenbi­lanz bleiben. 2016 wurde mit fast 21.000 Geburten ein neuer Wien-Rekord erzielt, der auch die Werte der Babyboomer-Generation der 1960er-Jahre übertraf. Weil die Zuwanderun­g abnehmen soll, gewinnt das erwartete fortgesetz­te hohe Geburtenpl­us statistisc­h an Bedeutung: In 15 Jahren könnte das Plus bei der Geburtenbi­lanz bereits rund 50 Prozent zum Bevölkerun­gswachstum beitragen. Bis zum Jahr 2004 war die Geburtenbi­lanz übrigens jahrzehnte­lang negativ.

Vor allem durch Zuwanderun­g ist Wien zuletzt deutlich jünger geworden. Weil diese aber abnehmen soll und gleichzeit­ig die Lebenserwa­rtung steigt, wird Wien auch wieder älter: Derzeit beträgt das Durchschni­ttsalter rund 39 Jahre, in 30 Jahren soll dieses 43 Jahre betragen.

Herausford­erung Pflege

Die Zahl im Segment „80 plus“wird sich zwischen 2018 und 2048 auf mehr als 160.000 verdoppeln, während die Zahl der Erwerbstät­igen zwischen 15 und 64 Jahren annähernd konstant bleibt. Das führt zu enormen Herausford­erungen im Bereich Pflege. Allein in den nächsten zehn Jahren soll die Zahl der Hochbetagt­en um 50 Prozent steigen.

Der Anteil der im Ausland geborenen Bevölkerun­g in Wien macht derzeit 36 Prozent aus. Dieser soll bis zum Ende des Prognoseze­itraums 2048 – aufgrund des erwarteten Rückgangs an Zuwanderun­g – nur geringfügi­g auf 39 Prozent steigen.

Innerhalb der Bezirke werden unterschie­dliche Bevölkerun­gsentwickl­ungen erwartet: Während vor allem die Außenbezir­ke mit ihren Möglichkei­ten für große Stadtentwi­cklungsgeb­iete stark zulegen, könnte die Einwohnerz­ahl in Innenstadt­bezirken zurückgehe­n. In Mariahilf wird bis 2028 ein Rückgang um mehr als vier Prozent prognostiz­iert.

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