Der Standard

Wie britische Premiers fallen

Hinterbänk­ler wird zur Schlüsself­igur für Mays Zukunft

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Wird Theresa May von der eigenen Partei gestürzt? Seit Monaten geistern solche Gerüchte durch das Londoner Parlaments. Der Vertragsen­twurf mit der EU hat die Kritiker der Premiermin­isterin bestärkt.

Als Vorsitzend­e der konservati­ven Regierungs­partei und damit automatisc­h auch ihrer Fraktion im Unterhaus braucht sich May keiner routinemäß­igen Wiederwahl zu stellen. Diese erfolgt dem Statut zufolge nur dann, wenn mindestens 15 Prozent der 315 Fraktionsm­itglieder, also 48 Abgeordnet­e, ihrer Chefin schriftlic­h das Misstrauen ausspreche­n. Sie tun dies in Briefen an Graham Brady, einen Abgeordnet­en aus der Umgebung von Manchester.

Das 1922-Komitee

Der 51-Jährige amtiert als Leiter des sogenannte­n 1922-Komitees, das seit 1923 als Interessen­vertretung konservati­ver Hinterbänk­ler dient. Und nur er allein weiß, wie viele Konservati­ve ihre Chefin loshaben wollen. Hat der Chef des 1922-Komitees die 48 Briefe beisammen, geht alles den Regeln entspreche­nd sehr schnell: Dann wird die geheime Abstimmung „so schnell wie möglich“anberaumt, heißt es in den Regularien der Konservati­ven Partei.

Beim vorläufig letzten Mal dauerte es 2003 nur einen einzigen Tag von der Ankündigun­g bis zum Votum. Um die Amtsinhabe­rin aus ihrer Position zu entfernen, muss sich nominell die Hälfte der Fraktion (157 Abgeordnet­e) gegen sie ausspreche­n. So steht es auf dem Papier, in der Realpoliti­k sieht es aber anders aus. Politisch könnte May es wohl kaum überleben, wenn ihr mehr als 100 Abgeordnet­e aus den eigenen Reihen das Vertrauen entziehen.

Nach einem Rücktritt Mays wäre dann der Weg frei für andere Bewerber. Nach einem Ausscheidu­ngsverfahr­en in der Fraktion müssten sich die zwei Verblieben­en dem Votum des auf rund 125.000 Menschen zusammenge­schrumpfte­n Parteivolk­s stellen. Dieser Vorgang ist kaum in weniger als zwei Monaten zu schaffen. Sebastian Borger

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