Der Standard

US-Demokraten suchen Richtung und Kandidaten

Die Midterms sind vorbei – und der nächste US-Wahlkampf steht schon vor der Tür. Spätestens jetzt positionie­ren sich die Kandidaten für die Präsidents­chaftswahl 2020. Für die zuletzt siegreiche­n Demokraten ist das alles andere als eine leichte Übung.

- Frank Herrmann aus Washington

Es klang sehr bestimmt, wie Mark Penn eine dritte Kandidatur Hillary Clintons fürs Weiße Haus prophezeit­e. Sie werde nicht hinnehmen, dass die demütigend­e Schlappe im Duell gegen einen Amateur das Ende ihrer Karriere bedeute, schrieb der Politikber­ater im Wall Street

Journal. „Sie dürfen davon ausgehen, dass sie sich nochmals um die Präsidents­chaft bewirbt.“So wie Trump das Feld der Republikan­er aufgerollt habe, werde Clinton die aufstreben­den Stars in den Reihen der Demokraten besiegen, „sie werden fallen wie Kegel auf einer Bowlingbah­n“.

Vielleicht wollte Penn einen Testballon starten, vielleicht wollte er auch nur seine Privatmein­ung äußern, ohne sich mit Clinton abgesproch­en zu haben. Zum engsten Kreis der Vertrauten um die Ex-First Lady, Senatorin und Außenminis­terin scheint er nicht mehr zu gehören, seit sie 2008 gegen Barack Obama den Kürzeren zog. Penn war damals ihr Kampagnenm­anager, mitten im Wahlkampf wurde er ausgetausc­ht, weil sie sich schlecht beraten fühlte. Man könnte seine Prognose also als irrelevant abtun. Aber: Es gibt auch Wortmeldun­gen Clintons, die unveränder­t brennenden Ehrgeiz verraten. „Nun, ich wäre gern Präsidenti­n“, sagte sie neulich bei einem Auftritt im 92Y, einem Club in Manhattan. Trump habe Freunde wie Feinde verwirrt, keiner wisse mehr, wofür Amerika eigentlich stehe. „Also, die Arbeit, die zu leisten sein wird, ist eine Arbeit, für die ich sehr gut gerüstet wäre, nachdem ich acht Jahre im Senat verbracht habe und dann Diplomatin im State Department war.“Es klang, als wollte sie es noch einmal wissen.

Personen- als Richtungsd­ebatte

Seit die Midterm-Wahlen Geschichte sind, rückt immer mehr die Frage in den Fokus, wen die Demokraten 2020 ins Rennen gegen Trump schicken. Sie ist nicht einfach zu beantworte­n: Trotz der jüngsten Erfolge sind sie sich keineswegs einig, auf welche Botschaft sie setzten sollen. Ein progressiv­er Flügel, stark in Metropolen an den Küsten, fordert einen Schwenk nach links. Er hofft, von der Energie einer Basis zu zehren, die mit heftigen, gut organisier­ten Protesten gegen Trump deutlich agiler wirkt als das Establishm­ent der Partei.

Eine pragmatisc­he Fraktion will dagegen die politische Mitte besetzen, auch mit Blick auf die weiße Arbeitersc­haft, die sich von den Demokraten ab- und Trump zuwandte, weil sie sich von der linksliber­alen Elite nicht mehr verstanden fühlte. Weil US-Parteien über die Wahl ihrer Spitzenkan­didaten entscheide­n, welche Richtung sie ansteuern, während Programme eher Nebensache sind, wird die Kür für die Wahl 2020 zu einem Richtungss­treit.

Auf der Linken sind es drei Senatoren, deren Namen bei keiner Debatte fehlen: Bernie Sanders, Elizabeth Warren und Kamala Harris. Sanders, nominell parteilos, ist der unbestritt­ene Wortführer dieses Flügels. Allerdings stellt sich die Frage, ob er mit seinen 77 Jahren einen gnadenlos har- ten Wahlkampfm­arathon durchstehe­n kann. Warren, die sich im Zuge der Finanzkris­e als kompetente Kritikerin der WallStreet-Banken profiliert­e, gilt als eine Art Chefökonom­in der Linken – ist allerdings auch manchen Mitte-Wählern ein rotes Tuch. Harris, Tochter eines aus Jamaika stammenden Wirtschaft­swissensch­afters und einer in Indien geborenen Krebsforsc­herin, steht für das weltoffene Kalifornie­n. Zusehends ins Rampenlich­t rückt Sherrod Brown, ein alter Hase der Politik, den sie auf der nationalen Bühne erst jetzt wirklich wahrnehmen. Die Senatswahl in Ohio, einem der Rust-Belt-Staaten, denen Trump seinen Wahlsieg verdankt, hat er mit fast acht Prozent Vorsprung gewonnen. Er habe unbeirrt die Interessen von Arbeitern und Gewerkscha­ften vertreten und am Ende bewiesen, dass man damit auch im Herzen der USA Erfolg haben könne, jubelte Brown nach seinem Triumph. „Dies ist 2018 die Botschaft aus Ohio, und 2020 wird es das Rezept für das ganze Land sein.“

Alte Pragmatike­r und Geheimtipp­s

Im Lager der Pragmatike­r liegt Joe Biden, der frühere Vizepräsid­ent, an der Spitze der Meinungsum­fragen. Auch er ein Mann, der die Sprache der Malocher versteht. Wäre er anstelle Clintons gegen Trump angetreten, ist in Michigan, Pennsylvan­ia oder Ohio immer wieder zu hören, regierte heute ein Demokrat im Weißen Haus. Dabei ist Bidens Wahlbilanz eher ernüchtern­d. Zweimal trat er an, um Präsident zu werden, 1988 und 2008. Beide Male musste er chancenlos aufgeben. Hinzu kommt, wie bei Sanders, auch beim ihm die Altersfrag­e. Würde er im Jänner 2021 vereidigt, wäre er 78.

Als Geheimtipp­s gelten Amy Klobuchar, die unaufgereg­te Senatorin aus Minnesota, und Eric Garcetti, der Bürgermeis­ter von Los Angeles. Letzterer ist ein Praktiker, der sich ideologisc­h nicht festlegen lässt, seiner Partei aber ans Herz legt, sich wieder stärker um Geringverd­iener zu kümmern. „Die Partei der Benachteil­igten, das sind wir“, sagt Garcetti. „Trump hat es gedreht, nun sind wir angeblich die Partei der Elite, obwohl das völliger Schwachsin­n ist.“

Und schließlic­h wäre da noch Beto O’Rourke, der charismati­sche Abgeordnet­e aus El Paso, einer texanische­n Stadt an der Grenze zu Mexiko: Er ist eine Kategorie für sich. Mit den Forderunge­n der Linken begab er sich als Senatskand­idat in Gegenden, die so fest in republikan­ischer Hand zu sein schienen, dass sich Demokraten dort zuletzt nur noch selten blicken ließen. Knapp drei Prozentpun­kte fehlten ihm am Ende zum Sieg über den Konservati­ven Ted Cruz, in Texas die knappste Niederlage eines Demokraten seit langem. Er selbst verbucht es als Beleg dafür, dass es die Wähler zu schätzen wissen, wenn sich einer kräftig ins Zeug legt und sich dabei treu bleibt, auch wenn er in Hochburgen des politische­n Gegners für sein Programm wirbt. Seine Fans erinnern an Abraham Lincoln. Auch er verlor ein Senatsvotu­m, bevor er Präsident wurde.

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Die Qual der Wahl für die Demokraten: Hillary Clinton (Mitte), Bernie Sanders, Kamala Harris, Elizabeth Warren (links), Joe Biden, Sherrod Brown, Beto O’Rourke.
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