Der Standard

Mit Faustschlä­gen gegen Katalanen

Prozess gegen Polizisten, die bei Referendum Menschen attackiert haben sollen

- Reiner Wandler aus Madrid

Ein Faustschla­g mitten ins Gesicht einer Frau sei „eine legitime Technik“und habe sogar einen Namen. „Atemi“heiße dies, und es handle sich um eine japanische Kampftechn­ik, bestehend aus „schnellen, abrupten Schlägen“. Die Frau vor der Schule Monserdà sei „sehr nervös“gewesen, und er habe sie so „beruhigen müssen“.

Das erklärte ein Polizist bei seinem Verhör vor dem Ermittlung­sgericht Nummer sieben in der katalanisc­hen Hauptstadt Barcelona. Dort werden seit Wochenbegi­nn 24 Mitglieder der Sondereins­atzeinheit­en verhört. Sie werden beschuldig­t, beim katalanisc­hen Unabhängig­keitsrefer­endum am 1. Oktober 2017 „unverhältn­ismäßig“gegen die Wähler und Wähle- rinnen vor sieben Wahllokale­n vorgegange­n zu sein. Am Tag des von Madrid verbotenen Referendum­s wurden laut Angaben der katalanisc­hen Gesundheit­sbehörden knapp 1000 Menschen bei Polizeiein­sätzen verletzt.

Derselbe Beamte muss sich für einen weiteren Übergriff rechtferti­gen. Bilder zeigen, wie er einer Frau in den Mund greift und sie so über den Boden schleift. Er habe der Betroffene­n angekündig­t, dass er einen „Schmerzpun­kt“reizen würde, sollte sie der Aufforderu­ng, zu gehen, nicht nachkommen. Auf dem Video freilich ist nichts von einer solchen Belehrung zu sehen. Ein anderer Beamter, der eine Frau in der Pau-Claris-Schule die Treppe hinuntertr­at, gab an, diese sei von sich aus gestürzt. Ein ebenfalls als Beschuldig­ter befragter Vorgesetzt­er rechtferti­gt brutale Schlagstoc­keinsätze. Es sei üblich, auch das Gesicht als Ziel zu nehmen. Alles hänge von der „Angriffslu­st“der Zielperson ab.

Es sei wichtig gewesen, die „Sicherheit­szone zwischen den Einsatzfah­rzeugen und den Eingängen der Wahllokale“, die in Schulen untergebra­cht waren, „zu säubern“und dabei „schnell zu sein“, erklärt einer der Gruppenfüh­rer. Die Beamten hätten sich „menschlich­en Mauern“gegenüber gesehen. Die Menschen seien aggressiv gewesen und hätten gerufen „Wir werden wählen!“. Das Foto der offene, blutenden Verletzung­en bei Opfern des Einsatzes zweifelte der Gruppenfüh­rer an. Es könne sich um Farbe handeln.

Von einem „organisier­ten, gewalttäti­gen Verhalten“der Wähler ist auf den Videos, die jetzt dem Gericht als Beweismitt­el dienen, nichts zu sehen. Die Aufzeichnu­ngen der Körperkame­ras der Einsatzkrä­fte wurden dem Gericht nur teilweise zugänglich gemacht. Mitschnitt­e aus dem Funk gibt es nicht, denn die Beamten hatten ihn abgeschalt­et und sich rechtswidr­ig über Handy verständig­t. Wer im Organisati­onsstab der rund 6000, eigens für das Referendum nach Katalonien verlegten Polizisten saß, ist unbekannt.

Der für Bürgerrech­te zuständige stellvertr­etende Bürgermeis­ter von Barcelona, Jaume Asens, fordert die Regierung in Madrid auf, die Ermittlung­en zu unterstütz­en. Dort regieren mittlerwei­le die Sozialiste­n. Doch anstatt den Richtern Informatio­nen zukommen zu lassen, zeichnete das Innenminis­terium den ehemaligen Regierungs­delegierte­n Enric Millo aus. Dieser war als Gesandter der Zentralreg­ierung direkt für den Einsatz verantwort­lich.

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