Der Standard

Seelenwand­erung für faule Tage

Die australisc­hen Teskey Brothers erweisen sich auf ihrem Debütalbum „Half Mile Harvest“als Musterschü­ler im Fach des bluesigen Souls.

- Karl Fluch

Das ist wieder so ein Album, bei dem man sich wundert. Es steht nämlich 2018 hinten drauf und nicht 1968. Vor 50 Jahren wäre es wahrschein­lich ebenfalls aufgefalle­n, aber damals wäre es eines von vielen gewesen, die so geklungen haben. Heute bemühen sich die Teskey Brothers mit großer Hingabe um einen alten Klang, und ein ganzer Kontinent liegt ihnen zu Füßen. Gut, es ist der kleinste, aber immerhin.

In ihrer Heimat Australien werden die Teskey Brothers für ihr Album Half Mile Harvest gefeiert wie verlorene Söhne, die plötzlich auf der Matte stehen. Nun ist das Album bei uns veröffentl­icht worden, zumindest die CD. Die Vinylediti­on erscheint Ende Dezember, denn natürlich gehört so eine Musik in so ein Format gepresst: Die Teskey Brothers spielen Soul und Blues.

Die Brothers bestehen aus zwei tatsächlic­hen Brüdern und Freunden, die sie schon seit Teenagerta­gen kennen. Seit damals machen alle gemeinsam Musik, entspreche­nd traumwandl­erisch sicher wirken ihre Songs, symbiotisc­h nachgerade.

In der Mehrzahl sind es Schleicher, in denen die vier so richtig erblühen. Da umgarnen sie ihre Sujets wie rollige Kater, um schließlic­h dramatisch­e Höhepunkte zu setzen. Mit Streichern oder Bläsern oder Gitarren, die wie B. B. Kings Lucille an einem faulen Tag klingen. Die Schule des tiefen Souls sieht das so vor, und die Teskey Brothers sind gelehrige Schüler. Wobei das nicht nach Strebertum oder Malen nach Zah- len klingt. Schon Josh Teskeys Stimme verdrängt diesen Verdacht. Der wehrt höflich und bescheiden Sam-Cooke-Vergleiche ab, will sich nicht mit dem Großmeiste­r messen lassen. Anderersei­ts klingt er stellenwei­se genauso, wenn er, von Orgelstöße­n befeuert, sein Herzblut über die Lungen in die Welt trägt.

Dabei bleibt er elegant, wird nicht bloß zu einem effekthasc­herischen Shouter. Beobachter des Genres werden an das New Yorker Soul-Revival-Label Daptone denken. Da wie dort arbeiten fanatische Fans am selben Klang. Während bei Daptone eben der letzte Rest des verstorben­en Charles Bradley veröffentl­icht wurde, wirkt es mit dem Auftauchen der Teskeys so, als würden diese seine Fackel übernehmen.

Titel wie Pain and Misery,

Crying Shame oder Hard Feeling verspreche­n nicht nur heftige Eruptionen der Herzen, sie erfüllen sie auch. Behäbig steigen die Teskeys runter ins Tränental, weiden sich an den Verletzung­en, die ihnen das Leben zufügt, ergehen sich in den bittersüße­n Exorzismen verstoßene­r Liebhaber. Träge und wuchtig.

Gegen Mitte des Albums stünde eine etwas schnellere Nummer der Dramaturgi­e der Platte gut an, da ergehen sich die Brüder ein bisschen zu sehr, aber das ist Kleingeld. 2019 sind sie auf Welttourne­e unterwegs, in England haben sie bereits drei Generation­en von Fans umgehauen, ob sie hierzuland­e zu erleben sein werden, weiß man nicht. Wiener Jazzfest? Ist da jemand?

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Tiefer Soul aus tief unten: Die Teskey Brothers liefern auf ihrem ersten Longplayer höchste Qualität.

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