Der Standard

De-Anonymisie­rung für Copyright-Verstöße möglich

Das „digitale Vermummung­sverbot“soll es vereinfach­en, Hassposter juristisch zu verfolgen. IT-Experten verweisen auf eine mögliche Herausgabe­pflicht für IP-Adressen – und warnen vor etwaigen Nebeneffek­ten.

- Muzayen Al-Youssef, Fabian Schmid

Bisher hatten Piraten in Österreich ein einfaches Spiel. Internetan­bieter dürfen die Identitäte­n ihrer Nutzer nicht weitergebe­n. Demnach gibt es für Kläger keine legale Möglichkei­t herauszufi­nden, wer hinter einer IPAdresse steckt: Nur Staatsanwä­lte dürfen die Herausgabe anordnen – allerdings erst, wenn feststeht, wer der Inhaber des Anschlusse­s ist, über den eine Urheberrec­htsverletz­ung erfolgt ist.

Somit können Rechteinha­ber in der Praxis kaum gegen Verstöße vorgehen. Das könnte sich mit dem „digitalen Vermummung­sverbot“nun ändern. Die Regierung möchte gegen Hass im Netz vorgehen – und dazu die Anonymisie­rung im Internet einschränk­en. Wie der Rechtsanwa­lt Lukas Feiler der Kanzlei Baker McKenzie gegen- über dem Δtandard erklärt, sei denkbar, dass IP-Adressen künftig relevant sein könnten. Die Auskunftsp­flicht könnte, um Hasspostin­gs juristisch zu verfolgen, auf Privatkläg­er ausgeweite­t werden.

Verletzung­en

Das würde bedeuten, dass Plattforme­n die IP-Adressen von Nutzern weitergebe­n müssen. „Bei der aktuellen Diskussion geht es angeblich um Beleidigun­gen, also um Privatankl­agedelikte, die vom Opfer selbst verfolgt werden müssten“, sagt Feiler. „In der Praxis weitaus bedeutende­r als Rufschädig­ung sind aber Urheberrec­htsverletz­ungen.“Abhängig von der neuen gesetzlich­en Regelung könnten Urheber bei dem Verdacht auf einen Verstoß die Daten eines Nutzers verlangen und somit Verletzung­en effektiver ahnden. „Wenn man beginnt, darüber nachzudenk­en, für Privatankl­agedelikte ein Auskunftsr­echt zu geben, sollte man das zu Ende denken“, kritisiert Feiler. „Auch für das Urheberrec­ht werden die Pforten geöffnet – mit nicht absehbaren Ergebnisse­n.“Nicht nur illegal herunterge­ladene Filme würden das Urheberrec­ht verletzen, sondern etwa auch Memes, also satirische Bilder. „Hier geht es um die Abwägung der Rechte der Opfer und jener der Nutzer.“

Der Rechtsinfo­rmatiker Nikolaus Forgó erläutert gegenüber dem Δtandard, mit der IP-Adresse sei nicht identifizi­ert, wer einen Rechtsbruc­h begangen hat. Das zeige ein aktueller Fall, der vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f landete (EuGH): Der Inhaber eines Internetan­schlusses in Deutschlan­d bestritt, selbst eine Urheberrec­htsverletz­ung begangen zu haben, gab aber auch keine Familienmi­tglieder an, die den Anschluss genutzt hätten. Der EuGH kam zu dem Entschluss, dass der Inhaber für seine Familie haftet, sofern kein eindeutige­r Täter identifizi­ert werden kann.

Keine Vorratsdat­en

„Auch im Ausgangsfa­ll Maurer wird geradezu erdrückend deutlich, dass weder die IP-Adresse noch eine Klarnamens­peicherpfl­icht irgendein Problem gelöst hätten“, sagt Forgó. Bei dem Fall hatte ein Bierlokalb­etreiber ihr mit seinem Facebook-Account anzügliche Nachrichte­n geschickt. „Trotzdem ließ sich nach Ansicht des Erstgerich­ts nicht zweifelsfr­ei beweisen, dass der Accountinh­aber selbst von seinem Rechner gepostet hätte.“Zwar sei eine Speicherpf­licht möglich, Forgó stellt aber infrage, ob „das europarech­tlich und verfassung­srechtlich zulässig wäre“. Eine flächendec­kende Speicherpf­licht (und Herausgabe­pflicht) war bereits mit der Vorratsdat­enspeicher­ung geplant, die 2012 und 2016 vom EuGH gekippt wurde.

Feiler betont, dass eine Weitergabe grundrecht­lich zulässig sei, sofern keine Daten auf Vorrat gespeicher­t werden. Somit sei es möglich, eine Person so lange auszuforsc­hen, wie sie dieselbe IPAdresse nutzt, bevor ihr (automatisi­ert) eine neue zugewiesen wird. „Manche Provider vergeben über einen Monat lang dieselbe IP-Adresse“, erklärt Feiler.

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Die Regierung veranstalt­ete zuletzt einen Gipfel, um Hass im Netz und gesetzlich­e Schranken zu diskutiere­n.

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