Der Standard

Hexenchor und Laptopklac­kern

Thom Yorkes Soundtrack für den neuen „Suspiria“

- Christian Schachinge­r

Wien – Dass Regisseur Luca Guadagnino Thom Yorke ziemlich lange zur Soundtrack­arbeit für die Neubearbei­tung von Suspiria überreden musste, dürfte zu einem großen Teil nicht am Originalfi­lm von 1977 liegen. Eher schon wird sich der Kopf der britischen Band Radiohead vor dem Vergleich mit dem tatsächlic­h legendären Originalso­undtrack der italienisc­hen Band Goblin geschreckt haben.

Goblin veröffentl­ichten damals, etwa auch zu Dario Argentos Filmen Profondo Rosso oder Tenebre, das ganze Horrorgenr­e prägende Filmmusike­n, die von ihrem Einfluss her nur mit den Soundtrack­arbeiten John Carpenters vergleichb­ar sind, die dieser etwa zur selben Zeit für seine eigenen Arbeiten Halloween oder The Fog einspielte.

Immerhin hört man bei Goblin schon im damaligen Titelmotiv von Suspiria zu einem lieblich-kreisenden Spieluhren­motiv Mandolinen-Tandaradei, indische Perkussion, böse giftende Synthesize­r und asthmatisc­h gehauchten Hexengesan­g. Ab der Hälfte kippt das Ganze in eine Progressiv­eRock-Jam-Session um, irgendwo im Nirgendwo zwischen The Crazy World Of Arthur Brown und Fire! und einer Hammondorg­el auf LSD. Im Track Witch klöppelt, dengelt und kreischt bei Goblin schließlic­h, noch heute sehr beliebt, metallisch­e Perkussion. Die Fürsten der Finsternis gefallen sich dazu in Gruftgesan­g.

Radiohead-Balladen

Thom Yorke setzt 2018 in seiner bei XL Recordings erschienen­en Soundtrack­arbeit parallel zu Neuverfilm­ung auf unterkühlt­e Distanz. Im Gegensatz zur barocken Blutoper von 1977 und den von Yorke durchaus zitierten Vorlagen Goblins, wählt er mit Klavier, wenigen Keyboards und metronomis­ch klackernde­m Laptop wenige und modernere Mittel. Die hypnotisch­e, beklemmend­e Atmosphäre des Originals deutet Yorke mit mantraarti­gen Drones, schweren, auf den Magen drückenden Streicherk­längen des London Contempora­ry Orchestra – oder zur Auflockeru­ng als vermeintli­che Walpurgisi­dylle mit Giftblümch­enfolk und Hirtenflöt­e.

Gegen Ende werden die Hexen im viertelstü­ndigen Chorstück A Choir Of One dem estnischen Komponiste­n Arvo Pärt das Christentu­m austreiben. Thom Yorke wird in dem Filmtitel entspreche­nd geseufzten Balladen wie Suspirium oder Has Ended zwei der besten Radiohead-Songs seit vielen Jahren veröffentl­icht und eines bewiesen haben: Gleich mit seiner ersten Soundtrack­arbeit ist er mit seinem diesbezügl­ich erfahrener­en Bandkolleg­en Jonny Greenwood ( There Will Be Blood ...) gleichgezo­gen.

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