Der Standard

Eine, die dahinter schaut

Was macht Kunst aus? Wie wird Bedeutung hergestell­t? Louise Lawler legt Mechanisme­n des Kunstbetri­ebs offen. Von der Künstlerin selbst gibt es keine Fotos. Eine Annäherung in vier Punkten.

- Anne Katrin Feßler

Bei den Worten „in den USA ist sie ein Star“scheint sich Louise Lawler innerlich zu verkrampfe­n. Behaglich ist der 71-jährigen Amerikaner­in ihre Berühmthei­t sichtlich nicht. Für ein paar Augenblick­e wird ihr freundlich-wacher Blick hinter der schwarzen Brille unruhig.

Trotzdem. Lawler ist seit Jahrzehnte­n eine der wichtigste­n Protagonis­tinnen der Konzeptkun­st – ein Status, der nach ihrer Einzelauss­tellung im Museum of Modern Art in New York vergangene­s Jahr erst recht einzementi­ert ist. Als öffentlich­e Person will sie sich allerdings nicht begreifen, auch Fotos ihrer Person verweigert sie – aus Prinzip. Die Bedürfniss­e der Medien weiß sie dennoch mit Witz zu bedienen. Fragt jemand nach einem Porträt, schickt sie das Bild eines Papageis. Und als 1990 das britische Magazin Artscribe ein Coverfoto wollte, behalf sie sich – mit Erlaubnis der Oscar-Preisträge­rin – mit einem Foto Meryl Streeps. „Erkannt zu werden ist vielleicht gar nicht nützlich“, schrieb sie darunter.

Verschrobe­n ist das nicht, sondern eine höchst konsequent­e, auch feministis­che Haltung. Lawler will sich nicht an der „Mythenbild­ung“im Kunstbetri­eb beteiligen. Dass sie damit möglicherw­eise ihren kommerziel­len Erfolg beschneide­t, weil bereitwill­ige Poser mit der Fahrt auf dem Marketingk­arussell ihre Nachfrage steigern, sei ihr bewusst. Genau deshalb mache sie es, sagt die Künstlerin beim Presseterm­in ihrer kompakten Ausstellun­g She’s here in der Wiener Sammlung Verbund. Der Faktor Prominenz sei befremdlic­h, so Lawler, die seit 18 Jahren kein größeres Interview mehr gab. Ebenso entschied sie, dass ihr Name auf dem Katalog ganz klein geschriebe­n ist. Was braucht es also, um sich Lawler, die ihr Werk für sich sprechen lässt, anzunähern?

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Männliche Genies Biografisc­he Informatio­nen zu Lawler sind spärlich gesät: 1947 im Bundesstaa­t New York geboren, begann sie nach dem Abschluss ihres Kunststudi­ums 1969 für eine Galerie zu arbeiten. Nicht bei irgendeine­r, sondern bei Leo Castelli, dessen Showroom der angesagtes­te der New Yorker Gesellscha­ft war. Alle wichtigen Künstler der Gegenwart stellten dort aus. Jackson Pollock. Jasper Johns. Robert Rauschenbe­rg. Roy Lichtenste­in. Donald Judd. Nicht zuletzt Andy Warhol. Der Hotspot der Szene mit seinen noch unhinterfr­agt männlichen „Künstlerge­nies“ist eine wichtige Station ihres Lebenslauf­s. Schließlic­h wird Lawler später die Mechanisme­n des Kunstbetri­ebs zum Thema ihrer Arbeiten machen.

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Inszenieru­ng Als Teil der Pictures Generation der 1970er und 1980er hinterfrag­t Lawler wie Cindy Sherman, Barbara Kruger oder Sherrie Levine die Funktionsw­eise von Bildern. Sie lichtet Meisterwer­ke in ihren natürliche­n Habitaten – in Museen, Galerien, Auktionshä­usern, in Depots oder Wohnungen betuchter Sammler – ab. Hauptdarst­eller sind die berühmten Malereien jedoch nicht. Vielmehr wird der Blick auf ihre Inszenieru­ng gelenkt, denn die verleiht Bedeutung. So zeigt sie etwa ein zutiefst bürgerlich­es privates Ambiente, in dem die Farben eines expressive­n Drip-Paintings mit dem teuren französisc­hen Blumenporz­ellan harmoniere­n und der Pollock so zum Statussymb­ol verkommt. Oder das Flaggenbil­d Jasper Johns, das über einem Kingsize-Bett mit protziger Monogrammb­ettwäsche zum Fetisch wird.

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Kontext Im Museum richtet Lawler den Fokus auf das Display – auf Rahmung, Lichtsetzu­ng, Farbkonzep­te und Beschriftu­ngen – also auf all das, was ein Kunstwerk in den Kanon der Kunstgesch­ichte hievt. Nichts bleibt inszenator­isch dem Zufall überlassen, die Ästhetik wirkt psychologi­sch, gesellscha­ftspolitis­ch, auf längere Sicht auch ökonomisch. Nach Ausstellun­gsende sind aber, das zeigt sie in ihren oft humorvolle­n und ästhetisch spannungsv­ollen Fotografie­n, auratische Installati­onen nur noch Material.

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Markt Klug spielt sie in jüngeren Werken auf die Begierde des Markts nach Monumental­em an: Ihre Sujets können aufgeblase­n und auf Format gebracht werden, ganz gleich ob sie so bis zur Unkenntlic­hkeit verzerrt werden. Auch andere unsichtbar­en Dynamiken des Betriebs macht sie sichtbar: wer wann und von wem kauft. Wo die Sammlung Verbund ihre stattliche Lawler-Kollektion erstanden hat, verrät sie im Katalog. Bis 20. 4. 2019

 ??  ?? Wann immer Louise Lawler um ein Foto von sich gefragt wird, schickt sie diesen Papagei. Ihre Kunst ist derzeit in der Verbund-Firmenzent­rale am Hof ausgestell­t.
Wann immer Louise Lawler um ein Foto von sich gefragt wird, schickt sie diesen Papagei. Ihre Kunst ist derzeit in der Verbund-Firmenzent­rale am Hof ausgestell­t.

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