Schwarz vs. Türkis
Kanzler Sebastian Kurz und sein Parteikollege, Landeshauptmann Markus Wallner, kommen beim humanitären Bleiberecht auf keinen grünen Zweig. Mehr Mitsprache wird es jedenfalls nicht geben.
Vorarlbergs ÖVP und Kanzler Kurz kommen beim humanitären Bleiberecht auf keinen grünen Zweig.
Ja, es komme vor, dass Menschen nachts von der Polizei zur Außerlandesbringung herausgerissen werden, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bei einem Bürgerdialog in Bregenz. Abschiebungen seien die Ultima Ratio, darüber entschieden würde von Richtern. Diese Richter hätten auch über humanitäres Bleiberecht zu entscheiden, belehrte Kurz protestierende Bürger: „Es ist nicht die Entscheidung des Bundeskanzlers, des Landeshauptmanns, des Bischofs oder der Kro
nen Zeitung oder der Menschen, die demonstrieren.“Er habe Vertrauen in den Rechtsstaat und die Behörden.
Den Wunsch des Vorarlberger Landtags, humanitäres Bleiberecht wieder in mittelbarer Bundesverwaltung entscheiden zu lassen, kann Kurz wenig abgewinnen. „Ich diskutiere das gerne, so bald es eine einheit- liche Linie der Bundesländer gibt. Die Masse der Landeshauptleute möchte das aber nicht.“Und zwar deshalb, weil man auf europäischer Ebene ja die Idee habe, das Asylrecht zu vereinheitlichen. Da wären neun verschiedene Regelungen nicht sinnvoll, meint der Kanzler.
Es gehe gar nicht um das Verlagern in Länderkompetenz, konterte Landeshauptmann Markus Wallner (VP) seinem Parteikollegen, sondern um Mitsprache der Länder: „Bund und Länder sollen gemeinsam entscheiden. Wir in Vorarlberg stehen zu unserer Verantwortung und wollen gehört werden.“
Die Diskussion um das humanitäre Bleiberecht wurde durch eine versuchte Abschiebung ausgelöst, bei dem eine schwangere Mutter von ihrem dreijährigen Sohn und Ehemann getrennt wurde. Kurz be-
zeichnete die Amtshandlung in einem Interview mit den Vorarlberger Nachrichten als Fehler der Regionaldirektion des Bundesamts für Asyl. Der Fehler sei aber in Vorarlberg passiert, nicht im Innenministerium. Diese Aussage löste einen Sturm der Entrüstung bei Grünen, Neos und SPÖ aus. Quintessenz der Kritik: Der Kanzler putze sich an weisungsgebundenen Beamten ab und stehe nicht zur Verantwortung der Bundesregierung.
Länder-Lücken
Eines der besonders heißen Eisen war das humanitäre Bleiberecht auch bei dem Treffen der Flüchtlingsreferenten am Freitag in Linz. Auffallend war zunächst, dass vier Bundesländer dem überhaupt fern blieben. Salzburg, Tirol, das Burgenland und die Steiermark schwänzten das Treffen, was etwa auf Vorarlberger Seite für eine deutliche Verstimmung sorgte. Nicht anwesend war in der Linzer Tabakfabrik auch der eigentlich geladene Innenminister Herbert Kickl (FPÖ). Als Vertretung reiste die zuständige Staatssekretärin Karoline Edtstadler (VP) nach. Und sie erteilte dem Wunsch nach mehr Länderverantwortung beim humanitären Bleiberecht gleich eine klare Absage: „Das Fremden- und Asylrecht ist klar Bundessache.“Nachsatz: „Aber wir sehen die Länder als Partner.“
Die Bilanz des Treffens von Vorarlberg, Niederösterreich, Wien, Oberösterreich und Kärnten fiel aber auch abseits der Bundesseite durchaus gemischt aus. Oder um es mit den Worten von Oberösterreichs Integrationslandesrat Rudi Anschober (Grüne) zu sagen: „We agree to disagree.“
Uneinigkeit herrschte vor allem mit dem niederösterreichschen Landesrat Gottfried Waldhäusl (FP). Während sich die übrigen Ländervertreter „mit großer Mehrheit“etwa dafür aussprachen, dass asylwerbende Lehrlinge nicht abgeschoben werden und die Lehre für Asylwerber wieder ermöglicht wird, dass die Länder beim humanitären Bleiberecht mitreden dürfen und es wieder ein breiteres Angebot an vom Bund kofinanzierten Sprachkursen gibt und dass der Bund seine Pläne für die Grundversorgung offenlegt, kam von niederösterreichischer Seite stets ein Nein. Waldhäusl begründete seine Ablehnung damit, dass er in der Lehre für Asylwerber die Gefahr von „Zuwanderung durch die Hintertür“sehe. Die Mitsprache beim humanitären Bleiberecht werde seiner Ansicht nach lediglich gefordert, „um Verfahren zu verschleppen“. Deutschkurse werde man in Niederösterreich nur dort anbieten, wo Menschen eine hohe Bleibewahrscheinlichkeit haben.
Keine Lehre
Der von Anschober ins Leben gerufenen Petition „Ausbildung statt Lehre“, die österreichweit breit und vor allem von etlichen Unternehmen unterstützt wird, kann Edtstadler ebenfalls wenig abgewinnen. Der Fokus müsse auf den Asylberechtigten liegen, von denen es mindestens 1200 unter 25 Jahren gebe, die eine Lehrstelle suchen würden.
Nur teilweise Gehör fanden die Länder bei Edtstadler auch mit ihrer Forderung, dass Resettlementprogramme umgesetzt werden: Diese seien zwar im Regierungsprogramm enthalten, führt sie aus, „aber wir haben im Moment eine andere Priorisierung“. Zuerst müsse der Außengrenzschutz gewährleistet sein. Kommentar Seite 48