Der Standard

Macron legt sich mit Autofahrer­n an

Französisc­he Autofahrer wollen am Samstag die Straßen im Land blockieren. Anlass ist die geplante Erhöhung der Dieselsteu­er. Präsident Macron versuchte, die Demonstran­ten zu beschwicht­igen.

- Stefan Brändle aus Paris

Durch Frankreich weht der Wind der Revolte – wieder einmal. Diesmal geht der Aufstand allerdings von den Autofahrer­n aus. Treibende Kraft sind die „gilets jaunes“, das heißt die Träger jener Leuchtwest­en, die in französisc­hen Autos bei einem Nothalt verpflicht­end sind. Bewohner ländlicher Gebiete, die oft lange Arbeitsweg­e im Auto zurücklege­n, protestier­en gegen die Absicht der Regierung, die Steuer für Dieseltrei­bstoff ab 1. Jänner um knapp vier Prozent zu erhöhen, um jenem seinen finanziell­en Anreiz gegenüber Benzin zu nehmen.

Die Autofahrer sind aufgebrach­t, weil die französisc­he Energiepol­itik die Dieseltech­nologie jahrzehnte­lang begünstigt hatte – sie nun aber wegen der Schadstoff­belastung ausmerzen will. Die Protestier­enden bestreiten, dass die Regierung nur ökologisch­e Absichten verfolge: Von den 3,9 Milliarden Euro an Mehreinnah­men sollen laut Budgetentw­urf nur 184 Millionen, also weniger als fünf Prozent, in die Sparte „Energiewen­de“fließen; der Rest ist dazu bestimmt, die hohen Staatsausg­aben zu finanziere­n.

Die Dieselabga­be ist indessen nur der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Generell hat die französisc­he Provinz das Gefühl, von Präsident Emmanuel Macron betrogen worden zu sein. Im Präsidents­chaftswahl­kampf 2017 hatte er anderes versproche­n: Die Senkung der Wohnsteuer, die ein Grundpfeil­er seines Wahlprogra­mms war, musste er wegen des Widerstand­es betroffene­r Gemeinden auf mehrere Jahre strecken.

Die meisten Franzosen sehen davon kaum etwas und haben den Eindruck, dass die Regierung jetzt „mit einer Hand wieder nimmt, was sie vor einem Jahr gegeben hat“. Das behauptet Jacline Mouraud, eine Bretonin, die mit einem knapp fünfminüti­gen Klagevideo über Nacht zum Aushängesc­hild der ganzen Protestbew­egung wurde. „Was machen Sie mit unserem Zaster, außer das Geschirr im Élysée zu wechseln oder für sich ein Schwimmbad zu bauen?“, fragte sie in der millionenf­ach angeklickt­en Sequenz in Anspielung auf die präsidiale­n Ausgaben dieses Sommers. „Wohin treibt Frankreich, Monsieur Macron? Sicher nicht in die Richtung, die Sie einschlage­n wollten!“

Präsident kontert

Macron antwortete der Dame am Mittwoch indirekt vom Flugzeugtr­äger Charles de Gaulle aus: In einer filmreifen Inszenieru­ng präzisiert­e der Präsident Hilfsmaßna­hmen für Geringverd­iener, darunter eine auf 4000 Euro erhöhte Abwrackprä­mie für alte Dieselkaro­ssen oder eine 200- Euro-Subvention für Gasheizung­en. An der Erhöhung der Dieselsteu­er hält er aber fest.

Die Fernsehbil­der bewirkten das Gegenteil des angestrebt­en Effekts und unterstric­hen die Spaltung der französisc­hen Gesellscha­ft: hier der Pariser Präsident, der inmitten eines militärisc­hen Machtsymbo­ls einen abgehobene­n Diskurs über die Notwendigk­eit ökologisch­er Lenkungsab­gaben hält – dort das einfache Volk, das vor lauter Steuern und Abgaben nicht mehr weiß, wie es das Monatsende überstehen soll.

Macron hat an sich Argumente: Statistisc­h gesehen ist die Kaufkraft der Franzosen seit der Jahrhunder­twende ebenso gestiegen wie die Höhe der Renten. Und die Klimaerwär­mung ist ein Fakt. Das zählt aber in der aufrühreri­schen Stimmung wenig: Wie in der Revolution von 1789, die ebenfalls fiskalisch­e Gründe hatte, oder wie bei den Bauern- und Steuer-Jacquerien der französisc­hen Geschichte haben heute viele Provinzfra­nzosen von links bis rechts das Gefühl, für die Inkompeten­z der Pariser Eliten bluten zu müssen.

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Foto: AFP Jacline Mouraud wurde zum Aushängesc­hild der Bewegung.

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