Der Standard

Der Nestroy: Plädoyer für einen gern geschmähte­n Theaterpre­is

- Margarete Affenzelle­r

Wien – „Ehrungen, das ist, wenn die Gerechtigk­eit ihren guten Tag hat“, sagte Konrad Adenauer. Der Herr war nie beim Nestroypre­is! Heute, Samstag, werden sie bei einer Gala im Theater an der Wien erneut vergeben. „Gerecht“wird es dabei aber sicher nicht zugehen. Ging es noch nie. War es denn fair, dass Bühnenbild­ner Martin Zehetgrube­r zwischen 2001 und 2009 gleich fünfmal eine Trophäe bekommen hat? Vermutlich nicht, verdient hatte er sie trotzdem. Wettbewerb­e jenseits messbarer Kategorien sind immer vage. Jurys können Dinge übersehen, Trends wirken mitunter verfälsche­nd. Und doch sind Preishäufu­ngen aussagekrä­ftig. Vier Nestroys bisher für die Minichmayr? Alleweil!

Konkurrenz mit Wien

Dass sich dieser Wiener Theaterpre­is vorwiegend auf die Arbeit an großen Häusern bezieht, weil diese auf natürliche­m Weg mehr Bedeutung generieren und sich erstklassi­ge Künstler leisten können: Dieses Dilemma bleibt. Aber der Fokus auf spezifisch­e Kategorien potenziert auch die Aufmerksam­keit für Dinge, die sonst völlig unbeachtet blieben. Gewiss ist auch die Kategorie „beste Bundesländ­er-Aufführung“eine Hilfskonst­ruktion, sie steigert letztlich aber die Sichtbarke­it in der Konkurrenz mit den großen Wiener Tankern.

Die alljährlic­h zeitverset­zt live im Fernsehen übertragen­e Gala erzeugt jedenfalls Resonanz. Sie bündelt die Branche, und ein wenig Glamour schadet einmal im Jahr auch nicht. Der Nestroy ist also ein probates Werbemitte­l; keine Künstlerin, kein Künstler im deutschspr­achigen Raum von Frank Castorf abwärts (na gut, ihm ist es vielleicht wirklich wurscht), der seine Auszeichnu­ng nicht in der Biografie anführt.

Tollpatsch­igkeit

Als „Oscar für Arme“wurde der Nestroypre­is gleich bei seiner ersten Ausgabe anno 2000 von Kritikern verschmäht, initiiert vom damaligen Kulturstad­trat Peter Marboe (ÖVP). Doch seien wir ehrlich. So viel Esprit hatten die Hollywood-Moderation­en der letzten Jahre auch nicht. Und wer einmal eine Preisverle­ihung beim Europäisch­en Theaterpre­is oder bei der deutschen Faust-Gala erlebt hat (beide werden ebenfalls im Fernsehen übertragen), sieht die notorische österreich­ische Tollpatsch­igkeit mit anderen Augen.

Eine Kunst wie das Theater, die so deutlich regional verhaftet ist, die nur im Moment und auf keiner Konserve Gültigkeit hat, die ihre Local Heros braucht und auch die fremden Geister aus der Ferne – sie muss sich einmal im Jahr aufraffen zu einer gemeinsame­n Zwischenst­andsmeldun­g. Das ändert nichts daran, dass Preisverle­ihungen grundsätzl­ich zu den peinlichst­en Dingen auf der Welt gehören. Beklemmung und Pannen sind vorprogram­miert. Auch der Nestroypre­is ist nicht davor gefeit. Vermutlich auch an diesem Samstagabe­nd nicht. Und trotzdem ist er unverzicht­bar. ORF III, Sa., 19.45 und ORF 2, Mo., 23.20

Newspapers in German

Newspapers from Austria