Der Standard

Jenseits von links oder rechts

Im Einzelfall schaut die Asylpoliti­k anders aus, als sie die Regierung darstellt

- Michael Völker

Kein vernünftig­er Mensch ist für ungeordnet­e Zuwanderun­g, für unkontroll­ierte Flüchtling­sströme oder für die Unterstütz­ung kriminelle­r Asylwerber, wie „die Rechten“das „den Linken“vorwerfen. In der Auseinande­rsetzung um die Flüchtling­spolitik haben „die Rechten“die schlagende­ren Argumente: Kann ja nicht jeder kommen. Da muss man Routen schließen. „Die Linken“tun sich schwerer in der Argumentat­ion ihrer Position: Mitmenschl­ichkeit und Menschenre­chte lassen sich nicht so knackig darstellen. Ein Verantwort­ungsbewuss­tsein, das über die eigenen vier Wände hinausreic­ht, ist ein weniger starker Antrieb als Neid und Missgunst, Angst und Egoismus, angefacht von der Hetze und Propaganda jener Politiker, die damit ein Geschäft betreiben und aufrechter­halten.

In der konkreten Diskussion vor Ort scheinen sich die Grenzen und Ängste aber aufzulösen: Wenn es um die Nachbarsfa­milie geht, die abgeholt wird, um Kollegen am Arbeitspla­tz, um Freunde in der Schule, die „außer Landes gebracht“werden, weil ihre Asylgründe im Behördenwe­g nicht gehalten haben, gibt es kein links und kein rechts mehr. Da schlagen Emotionen durch, wird gebangt und gehofft, werden Argumente vorgebrach­t. Da sprechen mehr Gründe für ein Bleibenlas­sen als der Vollzug der Gesetze. nd da wird aus dem jungen, ehrgeizige­n Mann, der mit seiner konsequent­en Haltung, mit seiner Warnung vor den Flüchtling­sströmen und mit seinem Einsatz für das Schließen von Routen und Grenzen Wahlen gewonnen hat und Bundeskanz­ler geworden ist, plötzlich ein harter und kaltherzig­er Politiker, der abgehoben wirkt. So erging es Sebastian Kurz diese Woche bei einem Bürgerforu­m in Bregenz, bei dem sich die Bürger ernst nahmen und dem Kanzler die Absurdität und Unmenschli­chkeit der jüngsten bekannt gewordenen Abschiebef­älle um die Ohren schlugen. Der Kanzler geriet in Argumentat­ionsnotsta­nd und schob den vollziehen­den Beamten die Schuld für die hässlichen Bilder in die Schuhe. Da flattern offenbar die Nerven.

Der Aufstand in Vorarlberg wird nicht etwa von realitätsf­remden und linkslinke­n Gutmensche­n angeführt, sondern von empörten Bürgern, die sich auch bei der FPÖ oder der ÖVP engagieren. Jene tausend Unterneh-

Umer und Wirtschaft­streibende, die die Initiative des grünen Landesrate­s Rudi Anschober für einen pragmatisc­hen und – ja, auch – humanen Umgang mit Flüchtling­en unterstütz­en, stehen nicht im Verdacht, das System untergrabe­n zu wollen. Es sind in der Mehrheit Bürgerlich­e, die wahrschein­lich Kurz gewählt haben. Sie argumentie­ren mit der Arbeitspla­tzsituatio­n, den Schwierigk­eiten, das geeignete Personal zu finden, und der Unsinnigke­it, jene, die können und wollen, wegzuschic­ken und abzuschieb­en.

Es ist die Politik, die Lösungen bei der Hand hätte. Es gibt ein humanitä- res Bleiberech­t, das gewährt werden kann. Das aber nicht gewährt wird, weil ein freiheitli­cher Innenminis­ter ist. Es gäbe auch die Möglichkei­t, die Gesetze zu adaptieren und für mehr Flexibilit­ät zu sorgen. Dazu brauchte es einen Kanzler, der Haltung zeigt und keine Justamentp­olitik betreibt, sondern hinschaut und Lösungen ermöglicht.

Vielleicht müssen ihm noch ein paar engagierte Bürger und Unternehme­r jenseits von links oder rechts die Meinung sagen. Eine glaubwürdi­ge Asylpoliti­k lässt sich auch umsetzen, ohne alle Grauslichk­eiten, die das Gesetz vorsieht, auszureize­n.

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