Der Standard

KOPF DES TAGES

Die letzte Reise des kleinen Diktators

- Adelheid Wölfl

Die Ellenbogen angewinkel­t, ohne nach links oder rechts zu schauen, stürmte der bullige kleine Mann mit einem Riesentemp­o dem Ball hinterher. So wie Nikola Gruevski Fußball spielt, so machte er auch jahrelang Politik. Der heute 48-jährige Ökonom arbeitete zunächst für verschiede­ne Banken, handelte an der Börse, wurde Wirtschaft­sminister, schuf Zonen, in denen Investoren bevorzugt werden, und führte eine Flat Tax ein.

Als er 2006 mazedonisc­her Regierungs­chef wurde, galt er noch als Reformer, doch die autoritäre Gesinnung brach schnell durch. Mit seinem Cousin, dem damaligen Geheimdien­stchef Sašo Mijalkov, errichtete er einen Staat im Staat. Die Partei VMRO-DPMNE unterwande­rte alle Strukturen. Sie schanzte befreundet­en Firmen öffentlich­e Aufträge zu, schaltete die freie Presse aus, sogar Schlägertr­upps wurden eingesetzt.

Das System Gruevski bog sich den Rechtsstaa­t zurecht, politisier­te die Verwaltung und instrument­alisierte die Sicherheit­sstrukture­n gegen politische Gegner. Gleichzeit­ig glorifizie­rte Gruevski das Nationale, war aggressiv gegenüber Nachbarn, förderte eine reaktionär­e Gesellscha­ftspolitik und sympathisi­erte mit Wladimir Putins Regierungs­modell.

Gruevski ließ Skopje mit kitschigen Statuen von Nationalhe­lden vollstelle­n, die den Steuerzahl­er viele Millionen kosteten, und feierte pompös die Einweihung eines neuerricht­eten „Triumphbog­ens“.

2015 platzte die Bombe. Denn die Opposition veröffentl­ichte über Youtube abgehörte Gespräche zwischen den Regierende­n. Finanzmini­ster Zoran Stavreski beschrieb Gruevski da als einen „Mann, der den Sinn für die Realität verloren hat“. Über die Regierungs­politik sagte er: „Das ist wahnsinnig. Wir sind Geisteskra­nke. Wir geben Geld für Schokolade aus, wenn wir kein Brot haben.“

Die Mazedonier hörten, wie Gruevski Parteimitg­lieder zwang, Blankorück­tritte zu unterschre­iben, um sie jederzeit unter Druck setzen zu können. Auch systematis­che Wahlmanipu­lationen wurden bekannt. Ein Jahr später musste Gruevski seine eigene Abdankung unterschre­iben. Im Mai wurde er wegen Amtsmissbr­auchs verurteilt, am Montag sollte er die Haft antreten.

In einem Abhörproto­koll prophezeit­e Expolizeim­inisterin Gordana Jankuloska: „Irgendwann werden wir für all das ins Gefängnis gehen.“Ob Gruevski dies tun wird, hängt vom Rechtsstaa­t in Ungarn ab, wohin er sich abgesetzt hat.

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Foto: AFP Mazedonien­s Expremier Nikola Gruevski will in Ungarn der Haft entgehen.

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