Bei Mickey ist alles möglich
Der Jubilar könnte die Festschrift zu seinem Neunziger trotz Tragegriff doch nicht einmal aufheben, geschweige denn nach Hause tragen– 500 Seiten im Großformat, festes Papier, kiloschwer, und er ist ja nur eine Maus! Aber diese Maus hält sich einen Hund, jagt Katzen, befiehlt Enten herum und beschämt Polizisten mit ihrer Klugheit, also warum nicht? Bei Mickey Mouse hält man alles für möglich. Das kommt von den vielen Rollen, die er gespielt hat, Matrose, tapferes Schneiderlein, Alpinist und was nicht noch alles. Im war vor kurzem anlässlich des runden Geburtstages sein Werdegang nachzulesen, auch dass die Maus leider irgendwann Mensch geworden ist, ein gesetzestreuer Bürger, und nicht anarchistisches Nagetier geblieben ist und auch nicht ein Zauberlehrling von Goethe’schem Zuschnitt und einer psychedelisch eingefärbten Machart (in Fantasia), die Disney ein wenig unheimlich war. Nun bebildert das wohl umfangreichste Buch zum Thema, Walt Disneys Mickey Mouse, seine Karriere, 1200 Illustrationen, von den ersten Skizzen über exquisite Animationsdetails bis zu Hommagen von Künstlern wie Haring und Lichtenstein: eine visuelle Wonne. Und trotzdem fragt man sich angesichts des perfekten, aus drei Scheiben bestehenden Markenzeichens noch immer wie ein im Vorwort zitierter Trickfilmzeichner, „was in seiner Seele steckt“. Wir werden’s nie erfahren. Michael Freund
David Gerstein, J. B. Kaufman, Daniel Kothenschulte (Hg.), „Walt Disneys Mickey Mouse. Die ultimative Chronik“. € 150,– / 496 Seiten. Taschen, Köln 2018