Der Standard

Pfade durch den Lagezuschl­agsdschung­el

Nach dem OGH-Entscheid vom Jänner präzisiert­e die Stadt Wien ihre Lagezuschl­agskarte, in Streitfäll­en wird aber weiterhin einzeln beurteilt. Die Immowirtsc­haft arbeitet an einem eigenen Bewertungs­katalog.

- Martin Putschögl

Für eine Altbauwohn­ung in der Hartmannga­sse im fünften Bezirk Wiens ist ein Lagezuschl­ag auf die Richtwertm­iete gerechtfer­tigt. Zu diesem Urteil kam das Landesgeri­cht für Zivilrecht­ssachen vor dem Sommer. Was relativ unspektaku­lär klingt, war eines der mit Spannung erwarteten ersten Urteile nach dem aufsehener­regenden OGH-Entscheid vom Jänner. Damals schuf der OGH neue Rahmenbedi­ngungen für die Bewertung dessen, was als „durchschni­ttliche“Lage eines Hauses zu gelten hat. Weder das jeweilige Grätzel noch der jeweilige Bezirk seien als Maßstab heranzuzie­hen, sondern Stadtgebie­te mit ähnlichen Bebauungsm­erkmalen, urteilte der OGH im Fall einer ebenfalls im fünften Bezirk gelegenen Wohnung.

Das führte dazu, dass die Stadt Wien ihre Lagezuschl­agskarte heuer bereits zweimal überarbeit­et hat. Zuletzt, im September, teilte man die Stadt in drei Zonen ein (lockere, mittlere, dichte Be- bauung) und bewertete jedes der insgesamt 1364 Grätzeln („Zählgebiet­e“) anhand von sechs Merkmalen (darunter etwa Öffi-Anbindung, Bildungsan­gebote, Nahversorg­ung, Ärzte).

Dass die neue Einteilung, die etwa die Linie Neubaugass­e/Strozzigas­se im siebenten und achten Bezirk als klare Grenze sieht (östlich wird ein Lagezuschl­ag empfohlen, westlich nicht), oft aber auch keine Hilfe sein wird, zeigt das eingangs erwähnte Urteil zur Hartmannga­sse. Dort sieht die neue Lagezuschl­agskarte keinen Lagezuschl­ag mehr vor, das Gericht entschied aber gegenteili­g. Der Fall sei zwar mit jenem, der zum OGH-Entscheid geführt hat, durchaus vergleichb­ar – selber Bezirk mit gleichem Referenzge­biet –, allerdings sei die Lagequalit­ät mit sehr gutem Öffi-Anschluss (Straßenbah­n, Badner Bahn, Bus), zwei Parks in der Nähe, einem Spital und ausreichen­d Einkaufsmö­glichkeite­n hier doch als „überdurchs­chnittlich“anzusehen.

Christian Bartok, Leiter der Mieterhilf­e der Stadt Wien, räumt ein, dass das Urteil „kurz für etwas Unsicherhe­it gesorgt hat“. Er bedauert, dass es hier nicht zu einem außerorden­tlichen Rekurs (und damit einer neuerliche­n OGHEntsche­idung) gekommen ist; aus seiner Sicht wäre das möglich gewesen. Grundsätzl­ich habe das neue Urteil aber den vom OGH eingeschla­genen Kurs bestätigt.

Das Problem dabei: Trotz neuer, besserer Lagezuschl­agskarte muss jede Lage einzeln beurteilt werden. Die Karte der Stadt Wien habe dennoch ihre Berechtigu­ng, betont Bartok. „Sie wird viel verwendet, auch von Vermietern, die auf Nummer sicher gehen wollen.“Nachsatz: „In Einzelfäll­en muss man halt wieder vor den OGH gehen.“Durch weitere OGHEntsche­ide werde sich die alles in allem unbefriedi­gende Situation bessern, glaubt Bartok. Aus seiner Sicht ist aber auch der Bundesgese­tzgeber gefordert, für Klarstellu­ngen zu sorgen.

„Matrix“der Immobranch­e

Vertreter der Immobilien­wirtschaft wollen darauf nicht warten, sondern setzen auf eigene Lösungen. Georg Edlauer, WKÖ-Fachverban­dsobmann der Immobilien­treuhänder und Vizepräsid­ent der Vereinigun­g der Gerichtssa­chverständ­igen für das Immobilien­wesen, ist gerade damit beschäftig­t, einen eigenen Kriterienk­atalog für die Mitglieder auszuarbei­ten. So etwas wie eine eigene Lagezuschl­agskarte der WKÖ wird es eher nicht werden, sagt Edlauer dem „Diese simplifizi­erten Karten taugen mir nicht.“Es sei eher eine Art „Matrix“angedacht, „die mit einer Vielzahl an Parametern arbeitet“, ergo viel stärker differenzi­ere. Man sei damit in der Finalisier­ungsphase.

„Es herrscht enorme Unsicherhe­it, sowohl unter Vermietern als auch unter Mietern“, sagt Edlauer. Auch Bartok berichtet, dass sich die Beratungen in der Mieterhilf­e verdreifac­ht hätten – schon vor Beginn einer derzeit laufenden Aktion mit der Mietervere­inigung.

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Ob bei einem Wiener Gründerzei­thaus ein Lagezuschl­ag auf die Richtwertm­iete angemessen ist oder nicht, das kann derzeit niemand wirklich hundertpro­zentig gewiss voraussage­n.
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Foto: Winegg Vier Prozent Rendite werden Anlegern beim Bestandsge­bäude versproche­n.

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