Pfade durch den Lagezuschlagsdschungel
Nach dem OGH-Entscheid vom Jänner präzisierte die Stadt Wien ihre Lagezuschlagskarte, in Streitfällen wird aber weiterhin einzeln beurteilt. Die Immowirtschaft arbeitet an einem eigenen Bewertungskatalog.
Für eine Altbauwohnung in der Hartmanngasse im fünften Bezirk Wiens ist ein Lagezuschlag auf die Richtwertmiete gerechtfertigt. Zu diesem Urteil kam das Landesgericht für Zivilrechtssachen vor dem Sommer. Was relativ unspektakulär klingt, war eines der mit Spannung erwarteten ersten Urteile nach dem aufsehenerregenden OGH-Entscheid vom Jänner. Damals schuf der OGH neue Rahmenbedingungen für die Bewertung dessen, was als „durchschnittliche“Lage eines Hauses zu gelten hat. Weder das jeweilige Grätzel noch der jeweilige Bezirk seien als Maßstab heranzuziehen, sondern Stadtgebiete mit ähnlichen Bebauungsmerkmalen, urteilte der OGH im Fall einer ebenfalls im fünften Bezirk gelegenen Wohnung.
Das führte dazu, dass die Stadt Wien ihre Lagezuschlagskarte heuer bereits zweimal überarbeitet hat. Zuletzt, im September, teilte man die Stadt in drei Zonen ein (lockere, mittlere, dichte Be- bauung) und bewertete jedes der insgesamt 1364 Grätzeln („Zählgebiete“) anhand von sechs Merkmalen (darunter etwa Öffi-Anbindung, Bildungsangebote, Nahversorgung, Ärzte).
Dass die neue Einteilung, die etwa die Linie Neubaugasse/Strozzigasse im siebenten und achten Bezirk als klare Grenze sieht (östlich wird ein Lagezuschlag empfohlen, westlich nicht), oft aber auch keine Hilfe sein wird, zeigt das eingangs erwähnte Urteil zur Hartmanngasse. Dort sieht die neue Lagezuschlagskarte keinen Lagezuschlag mehr vor, das Gericht entschied aber gegenteilig. Der Fall sei zwar mit jenem, der zum OGH-Entscheid geführt hat, durchaus vergleichbar – selber Bezirk mit gleichem Referenzgebiet –, allerdings sei die Lagequalität mit sehr gutem Öffi-Anschluss (Straßenbahn, Badner Bahn, Bus), zwei Parks in der Nähe, einem Spital und ausreichend Einkaufsmöglichkeiten hier doch als „überdurchschnittlich“anzusehen.
Christian Bartok, Leiter der Mieterhilfe der Stadt Wien, räumt ein, dass das Urteil „kurz für etwas Unsicherheit gesorgt hat“. Er bedauert, dass es hier nicht zu einem außerordentlichen Rekurs (und damit einer neuerlichen OGHEntscheidung) gekommen ist; aus seiner Sicht wäre das möglich gewesen. Grundsätzlich habe das neue Urteil aber den vom OGH eingeschlagenen Kurs bestätigt.
Das Problem dabei: Trotz neuer, besserer Lagezuschlagskarte muss jede Lage einzeln beurteilt werden. Die Karte der Stadt Wien habe dennoch ihre Berechtigung, betont Bartok. „Sie wird viel verwendet, auch von Vermietern, die auf Nummer sicher gehen wollen.“Nachsatz: „In Einzelfällen muss man halt wieder vor den OGH gehen.“Durch weitere OGHEntscheide werde sich die alles in allem unbefriedigende Situation bessern, glaubt Bartok. Aus seiner Sicht ist aber auch der Bundesgesetzgeber gefordert, für Klarstellungen zu sorgen.
„Matrix“der Immobranche
Vertreter der Immobilienwirtschaft wollen darauf nicht warten, sondern setzen auf eigene Lösungen. Georg Edlauer, WKÖ-Fachverbandsobmann der Immobilientreuhänder und Vizepräsident der Vereinigung der Gerichtssachverständigen für das Immobilienwesen, ist gerade damit beschäftigt, einen eigenen Kriterienkatalog für die Mitglieder auszuarbeiten. So etwas wie eine eigene Lagezuschlagskarte der WKÖ wird es eher nicht werden, sagt Edlauer dem „Diese simplifizierten Karten taugen mir nicht.“Es sei eher eine Art „Matrix“angedacht, „die mit einer Vielzahl an Parametern arbeitet“, ergo viel stärker differenziere. Man sei damit in der Finalisierungsphase.
„Es herrscht enorme Unsicherheit, sowohl unter Vermietern als auch unter Mietern“, sagt Edlauer. Auch Bartok berichtet, dass sich die Beratungen in der Mieterhilfe verdreifacht hätten – schon vor Beginn einer derzeit laufenden Aktion mit der Mietervereinigung.