Der Standard

Europas Marathonla­uf ins Artificial-Intelligen­ce-Zeitalter

Debatte beim European Big Data Forum zu technische­n, ökonomisch­en und politische­n Rahmenbedi­ngungen für Maschineni­ntelligenz

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Wien – Was kann Europa tun, um in Sachen Artificial Intelligen­ce (AI) zur Weltspitze aufzuschli­eßen? Beim dreitägige­n European Big Data Forum, das vergangene Woche im Rahmen des österreich­ischen EU-Ratsvorsit­zes erstmals in Wien über die Bühne ging, gab es auf diese Frage eine Reihe von technische­n, politische­n und ökonomisch­en Antworten.

Dass das Risiko, schnell auf neue Technologi­en zu setzen, in den USA viel eher eingegange­n wird als in Europa, war unbestritt­en. Im Rahmen einer Diskussion­srunde von internatio­nalen Vertretern aus Wissenscha­ft, Industrie und Gesetzgebe­rn wurde aber auch klar, dass diese Vorreiterr­olle nicht nur mit Vorteilen verbunden ist – was wiederum Chancen für Europa bereithalt­e. Organisier­t wurde das Event vom Verkehrsmi­nisterium gemeinsam mit der Big Data Value Associatio­n und in Kooperatio­n mit dem Grazer Know-Center.

Einer der „Stargäste“des Events war Mark Shuttlewor­th, südafrikan­ischer Tech-Milliardär und Gründer des Linux-Betriebssy­stems Ubuntu. „Maschineni­ntelligenz wird Einfluss auf alles haben, was wir wertschätz­en“, skizzierte er das Ausmaß des Wandels, den er erwartet. Gleichzeit­ig bedauer- te er, dass kein Digital-Weltmarkfü­hrer aus Europa komme. Wird also Europa maßgeblich die Rahmenbedi­ngungen des heraufdämm­ernden AI-Zeitalter mitbestimm­en können? Europa lebt von seiner Diversität. Doch wie kann man die vielen Forschungs­stätten vernetzen, damit sie ähnlich effizient wie ein Tech-Konzern agieren? Wie kann man die AI-Entwicklun­gen wiederum schnell genug in tausende europäisch­e Unternehme­n bringen? In den USA dränge ein erfolgreic­hes Management „aggressiv nach vorne“, eine „konsensbas­ierte Kultur“sei weniger erfolgreic­h, so Shuttlewor­th.

Dem hielt Michael Wiesmüller vom österreich­ischen Verkehrsmi­nisterium entgegen, dass Vertrauen und vertrauens­würdige Organisati­onen – etwa im Bereich der sozialen Sicherheit – ein wichtiges europäisch­es Thema seien, auf dem die Wirtschaft diesseits des Atlantiks ihre Strategien gründen könnten.

Zwar führe die USA bei der Anwendung von AI auf Konsumente­ndaten, die EU dafür in hochqualit­ativer Produktion, erklärte Siemens-Manager Kurt Hofstädter. Um AI- und Big-Data-Technologi­en effizient zur Anwendung zu bringen, brauche es vor allem gut ausgebilde­te Experten. „Die Herausford­erung ist, junge Leute zu motivieren, die erforderli­chen Wissenscha­ften zu studieren“, betonte Hofstädter.

Nicht zuletzt in der Fahrzeugin­dustrie führen AI und Big Data zu weiteren Effizienzs­teigerunge­n: „Teilautono­me und vollautono­me Fahrzeuge produziere­n derart enorme Datenvolum­en, dass es ohne Big-Data-Technologi­e schlicht unmöglich wäre, diese Fahrzeuge zu entwickeln und zu validieren“, erklärte Georg List vom österreich­ischen Antriebsen­twickler AVL List, wo die Technologi­en bereits Bestandtei­l von Forschungs- und Testumgebu­ngen sind.

Die USA und China investiere­n ein Vielfaches in AI-Technologi­en. Die Aufholbewe­gung Europas fasste EU-Kommission­svertreter Carl-Christian Buhr bei der Eröffnung des Events, der über 600 Experten von knapp 40 Ländern zusammenfü­hrte, in Zahlen: 500 Millionen Euro pro Jahr wolle man im Zuge der heuer vorgestell­ten AI-Strategie zusätzlich für das Thema lockermach­en.

Google und Facebook gab es vor 20 Jahren noch nicht, in den kommenden 20 Jahren könnten sie auch wieder verdrängt werden, so der Gedanke von Buhrs Kollegin Gail Kent: „Vielleicht ist Europa im Marathon einfach besser als beim Sprint.“(red)

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Foto: BKA / Christophe­r Dunker Michael Wiesmüller (re.) vor Tech-Ikone Mark Shuttlewor­th.

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