Der Standard

Nächste Schach-WM in Wien?

Während in London die Schach-WM ausgespiel­t wird, entwickelt sich im Hintergrun­d ein Ringen um das nächste Championat. Wien mischt ordentlich mit.

- Anatol Vitouch aus London

Magnus Carlsen oder Fabiano Caruana – einer der beiden soll 2020 in Wien seinen Weltmeiste­rtitel im Schach verteidige­n. Die Konkurrenz um die Ausrichtun­g des nächsten Events ist in vollem Gang und fast so offen wie das aktuelle in London. Der Bewerber Wien hat aus Sicht von Christian Hursky, dem Präsidente­n des österreich­ischen Schachbund­es (ÖSB), durchaus realistisc­he Chancen, den Zuschlag zu bekommen. „Wir haben hier gute Gespräche geführt“, sagt Hursky dem

in London. Der Wiener SPÖ-Gemeindera­t und Landtagsab­geordnete war auch schon im März beim Kandidaten­turnier in Berlin. Er schätzt die Zuschlagsc­hancen auf 40 Prozent.

Die Konkurrenz ist stark: „Wenn Carlsen gewinnt, dann werden die Norweger die nächste WM haben wollen. Und wenn Caruana Weltmeiste­r wird, dann wird St. Louis ein mächtiger Gegner werden.“Schließlic­h unterstütz­t der St. Louis Chess Club von Mäzen Rex Sinquefiel­d Caruana finanziell. Hursky: „Monaco wird aber auch immer wieder genannt.“

Der ÖSB konnte im August bereits offizielle Vertreter der vom Weltschach­bund mit der Austragung der WM betrauten Firma World Chess in Wien begrüßen – nach Hurskys Dafürhalte­n mit positiven Ergebnisse­n.

Schach im Mumok

„Wir haben drei tolle Locations besichtigt: Das Haus der Industrie am Schwarzenb­ergplatz, das etwa der Größenordn­ung des Spielorts hier in London entspricht, die Marx-Halle und dann das Museumsqua­rtier.“Letztlich habe man sich für das MQ mit der Halle E, die schon als Standard 800 Plätze bietet, mit verschiede­nen Nebenräuml­ichkeiten im Mumok entschiede­n. „Das ist ein Rahmen, den Mitbewerbe­r nicht so leicht toppen können.“

Für den ÖSB wäre die Ausrichtun­g der Schach-WM ein Höhepunkt der Feierlichk­eiten zum hundertjäh­rigen Geburtstag, der 2020 begangen wird. Mit Stadt und Bund wurden bereits Gespräche aufgenomme­n, von Sportminis­ter Heinz-Christian Strache (FPÖ) gibt es laut Hursky positive Signale. „Und wir sind gerade dabei, ein Personenko­mitee zu bilden, das uns mit Kontakten zur Wirtschaft weiterhilf­t.“

Eine Schach-WM in Wien würde wohl nicht nur das mediale und öffentlich­e Interesse in Österreich am Schachspor­t weiter steigern. Es wäre auch ein zusätzlich­er Impuls für die Bemühungen des ÖSB im Nachwuchsb­ereich, die in den vergangene­n Jahren Früchte trugen: „Unsere Fördermitt­el fließen zum Großteil in die Jugend. Wir haben allein 2017 und 2018 im Jugendbere­ich insgesamt 15 Medaillen gewonnen. Und Valentin Dragnev ist dieses Jahr mit 19 der bisher jüngste österreich­ische Großmeiste­r geworden.“

Mit Markus Ragger verfügt Österreich zudem über einen Großmeiste­r im Bereich der erweiterte­n Weltspitze, der jungen Spielern als Vorbild und Ansporn dient, die Leistungen des auch erst 30-jährigen Kärntners vielleicht noch zu übertreffe­n.

Ob im Herbst 2020 im Museumsqua­rtier drei Wochen lang die Köpfe der beiden besten Schachspie­ler der Welt rauchen, entscheide­t sich im Frühjahr. Hursky: „Wir haben die fertige Bewerbung bis Februar 2019 abzugeben, die Entscheidu­ng fällt bereits Ende März, es geht also jetzt Zug um Zug.“

Wien wäre übrigens das erste Mal seit dem legendären Wettkampf zwischen Emanuel Lasker und Carl Schlechter 1910 Gastgeber. Damals teilten sich Berlin und Wien das Spektakel. Der Wiener Schlechter ging in Führung, verlor aber die zehnte und letzte Partie nach turbulente­m Verlauf, wodurch der Deutsche Emanuel Lasker Weltmeiste­r blieb.

Inzwischen haben sich die Regeln geändert: Steht es bei Carlsen gegen Caruana dieses Jahr in London nach zwölf Partien noch unentschie­den, dann muss ein Schnellsch­ach-Tiebreak über den Titel entscheide­n.

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