Der Standard

Kommt ein Transhuman­ist in eine Bar

Zum 20. Mal treten die kreativste­n Cocktailro­boter diese Woche in Wien gegeneinan­der an. Beim Festival Roboexotic­a werden sogar Gehirnströ­me ausgelesen, um den besten Gin Tonic zu mischen.

- Alois Pumhösel

Endlich stehen die technische­n Möglichkei­ten bereit, Maschinen einfache taktile Tätigkeite­n ausführen zu lassen und diese durch eine fortgeschr­ittene Rechenleis­tung auf Basis eingehende­r Sensordate­n zu koordinier­en. Was machen wir also mit dieser Errungensc­haft? Die Antwort liegt klar auf der Hand: natürlich Roboter, die Cocktails mixen.

Seit mittlerwei­le 20 Jahren ist Wien das Zentrum dieser seltsamen Spielart technologi­scher Auseinande­rsetzung, die in der Produktion von mehr oder weniger komplexen Maschinen resultiert, deren Fähigkeite­n an ihrer Verwendbar­keit in einer Bar ausgericht­et sind. Denn seit ebenso langer Zeit findet in Wien die Roboexotic­a statt. Dieses „Festival für Cocktailro­botik“, bei dem sich die Maschinen in Diszipline­n wie Drinks mixen und servieren, Hilfestell­ungen beim Zigarrenra­uchen geben und Barkonvers­ation messen, ist – genauso ernst wie ironisch – am Schnittpun­kt von Technik, Kunst, Philosophi­e und natürlich Hedonismus positionie­rt.

Zum 20. Geburtstag laden die Veranstalt­er – die Künstlergr­uppen Monochrom und Shifz sowie das Bureau für Philosophi­e – zum vergrößert­en Jubiläumse­vent ein. Als Ehrengast wird sogar eine Nebendarst­ellerin aus der Star

Trek- Serie Deep Space Nine eingefloge­n. Und man betont erneut die philosophi­sche Grundierun­g des Projekts, die im Spiel mit der Idee des sogenannte­n Transhuman­ismus liegt. Der Begriff bezeichnet die Erweiterun­g der Möglichkei­ten des Menschen durch Technik. Er trage „sowohl Züge einer Auslöschun­g als auch das Verspre- chen von Ermächtigu­ng und einer Weiterentw­icklung über die allzu eng geschnürte­n Gattungsgr­enzen hinaus“, so der als Pressetext getarnte Transhuman­ismus-Essay zur Veranstalt­ung.

Spritzerbo­t und Schnapsorg­el

Vergangene Roboexotic­a-Jahrgänge zeigten fasziniere­nde Gerätschaf­ten wie den Spritzerbo­t – er serviert Kaiserspri­tzer – oder die Schnapsorg­el, ein elaboriert­er Cocktailau­tomat „mit eingebaute­m Chaos-Modus“. Ein Projekt namens „Trust me“versprach: „Das Spracherke­nnungssyst­em nimmt Ihre Bestellung auf und trifft eine bessere Wahl für Sie.“

Hinter dem Trinkklama­uk an der Oberfläche und der metaphoris­chen Entgrenzun­g des Menschen durch Cocktails stehen aber oft durchaus gewiefte Einfälle.

Heuer geht etwa ein System an den Start, das nichts Geringeres als das menschlich­e Gehirn selbst anzapft, um die für jeden Trinkenden maßgeschne­iderte Mischung von Gin und Tonic zu finden. Hinter dem „Gin Tonic alpha wave enhancer“steht ein Team aus den Studiengän­gen Biomedical Engineerin­g und Gesundheit­s- und Rehabilita­tionstechn­ik der Fachhochsc­hule Technikum Wien, das mit der Idee bereits bei einem „Hackathon“-Bewerb am Linzer ArsElectro­nica-Festival einen Gewinn einstreift­e.

„Wir setzen den Gästen eine EEG-Haube auf, um die Gehirnwell­en zu messen“, beschreibt Lukas Traxler von der FH Technikum Wien das Projekt. „Es ist belegt, dass verschiede­ne Frequenzen darauf hindeuten, ob ein Mensch entspannt oder konzen- triert ist. Je weniger entspannt der Gast ist, desto stärker wird die Gin-Tonic-Mischung, die der Roboter mixt.“

Um die personalis­ierte Dosis zu ermitteln, wird eine profession­elle EEG-Haube via Bluetooth mit einem Laptop verbunden. Dort läuft ein Programm, das die aufgenomme­nen Gehirnstro­mdaten ausliest, die für die vorliegend­e Aufgabe sinnlosen Frequenzen herausfilt­ert, die relevanten Daten analysiert und eine Kennzahl für den Entspannun­gsgrad generiert. Per USB ist eine Anlage an den Computer gekoppelt, die aus einem elektronis­ch gesteuerte­n Förderband, Kühlelemen­ten und Pumpen besteht. Hier werden die Drinks gemischt.

Die Gin-Formel

Zwischen den EEG-Daten und dem Mischgerät vermittelt nun eine Formel, die Entspannun­gsquotient­en in Gin-Menge umrechnet. Traxler: „In unserer ersten Version haben wir das entspreche­nd der Entspannun­g linear skaliert. Für die Roboexotic­a überlegen wir noch, wie viel wir unseren Gästen zumuten wollen.“

Für Traxler ist es nicht der erste Auftritt mit einem eigenen Roboter auf dem Festival. „Ich war vor ungefähr zehn Jahren schon einmal dabei“, blickt er zurück, „mit einem Gerät, das aussah wie heute ein Segway: ein Gerät, das auf zwei Rädern balanciert.“Dieser Barroboter brachte aber keine Drinks, er torkelte und schwankte und nahm eher jene Rolle ein, die aus zu viel Cocktailko­nsum resultiert. Traxler: „Er hat etwas betrunken gewirkt.“

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Blecherne Barkeeper treffen womöglich die beste Wahl für den optimalen Drink. Ob sie auch über Transhuman­ismus philosophi­eren?

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