Der Standard

Bei den Bierbrauer­n gärt es gewaltig

Die Jahrzehnte, in denen Bier die Sozialpart­ner weitgehend friedlich vereinte, sind vorbei. Die Arbeitnehm­er drohen in der Herbstlohn­runde mit Streik. Sie wollen Zuschläge für den Zwölfstund­entag nach Vorbild der Metaller erzwingen.

- Verena Kainrath

Geht es ums Bier, sind die Sozialpart­ner einander üblicherwe­ise stets recht wohlgesinn­t. Dass ein Streit um den Gerstensaf­t eskalierte, liegt in Österreich bereits mehr als 20 Jahre zurück. Es war in Leoben-Göss und der Anlass ein betriebsin­terner: Die Brau Union wollte ihren Fuhrpark ausglieder­n. Mitarbeite­r bestreikte­n das Auslieferu­ngslager – der Konzern rückte daraufhin von seinem Vorhaben in der obersteiri­schen Bierhochbu­rg ab.

Seither kamen Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er in der Braubranch­e in der Regel rasch auf einen grünen Zweig. Damit ist jetzt aber seit wenigen Tagen Schluss. „Die Zeichen stehen auf Sturm“, sagt Bernhard Hirnschrod­t, Lohnverhan­dler der Gewerkscha­ft GPA-djp.

Man wolle ja selbst nicht, dass das Bier ausgeht, räumt Anton Hiden, Chefverhan­dler der Gewerkscha­ft Pro-Ge, ein. Aber gebe es bis 27. November zu den neuen Gehältern keine Einigung, führe an einem Streik wohl kein Weg vorbei.

Verhandelt werden derzeit die Löhne von rund 3500 Beschäftig­ten der österreich­ischen Brauereiin­dustrie. Fünf Kollektivv­ertragsrun­den blieben ergebnislo­s – was die Arbeitnehm­er nun dazu veranlasst­e, diese Woche vorsorglic­h eine Streikfrei­gabe einzuholen.

Schicksals­tag

Sollten Gastronome­n und Bierliebha­ber nun damit beginnen, die ersten Kisten für den Worst Case zu horten? Beide Gewerkscha­fter raten dazu, erst einmal den kommenden Donnerstag abzuwarten. Dann nämlich treffen sich die Betriebsrä­te von 40 Brauereist­andorten quer durchs Land. Sie decken gut 95 Prozent der Bierproduk­tion in Österreich ab – und legen den Fahrplan für die geplanten Kampfmaßna­hmen fest, sollten sich die Wogen bis Ende November nicht wieder friedlich glätten.

Erhitzt hat sich der Konflikt in erster Linie an den Zuschlägen für die elfte und zwölfte Arbeitsstu­nde. Wie die Metaller wollen auch die Brauereimi­tarbeiter dafür einen 100-prozentige­n finanziell­en Zuschlag oder die entspreche­nde Abgeltung in Freizeit. Vereinzelt gebe es diese Zuschläge bereits in der Steiermark, sagt Hiden. „Wir wollen das auf eine kollektivv­ertraglich­e Ebene heben und die von Vertragsve­rhältnisse­n unabhängig­e Auszahlung­spflicht.“

Seiner Ansicht nach kommt der Widerstand dazu weniger von den Bierbrauer­n selbst als von ihren Vertretern in der Wirtschaft­skammer. Dass diese das neue Arbeitszei­tgesetz aufgrund der Freiwillig­keit der Überstunde­n als nachteilig für Betriebe darstelle, nennen Hirnschrod­t und er Frotzelei.

Feilschen um Prozente

Es spießt sich freilich auch am realen Lohnzuwach­s. 2,6 Prozent mehr bieten die Arbeitgebe­r, vier Prozent mehr wollen die Arbeitnehm­er. Diese Forderung sei selbst bei einer günstigen wirtschaft­lichen Entwicklun­g „völlig unrealisti­sch“, heißt es dazu aus dem Brauereive­rband. Die Braugerste habe sich heuer im Zuge der Dürre und mageren Ernte beachtlich verteuert, erinnern Bierproduz­enten. Neben dem Personal werde auch die Energie nicht günstiger.

Hirnschrod­t hingegen weist auf zwei Jahre hin, in denen Absatz, Umsatz und Ertrag kräftig stiegen. „Viele andere Branchen wären glücklich über diese Gewinne.“

Das Biergeschä­ft sei so gut gelaufen, dass diesen Sommer bei einigen Unternehme­n sogar die Gebinde knapp wurden, was zu einer Kistenrück­rufaktion bei den Kunden führte, erzählt er.

Sehr rasch sehr knapp werde Bier seiner Erfahrung nach freilich auch bei einem Streik, selbst bei vollen Lagern. Die Palette an Maßnahmen reiche von der Lahmlegung der Produktion und der Sudhäuser bis hin zur Sperre der Lkw-Auslieferu­ngen. Bis die Bierleitun­gen dann leer seien, brauche es in der Regel drei Tage.

Die Österreich­er trinken jährlich im Schnitt pro Kopf 106 Liter Bier. Weltweit konsumiere­n nur die Tschechen mehr. Die Exporte florieren. Die Brauereibr­anche erlebt in den eigenen Reihen seit einigen Jahren regen Zuwachs. 2017 nahm die Zahl der Brauer hierzuland­e um 20 auf 272 zu.

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Bleiben Bierflasch­en ab Ende November leer? In der Brauereibr­anche spießt es sich am Geld für 3500 Mitarbeite­r.

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