Der Standard

Kopftuch geht immer

- Katharina Mittelstae­dt

Man kann die Regierung schätzen oder verachten, bewundern oder gegen sie auf die Straße gehen, eines muss jeder zugeben: Sie kann Kommunikat­ion. Jede Woche aufs Neue schmieden die türkisen und blauen PR-Strategen gemeinsam einen Plan – für die kommenden sieben Tage und insbesonde­re für die Zeit rund um den nächsten Ministerra­t, nach dem die Ressortche­fs jeden Mittwoch die neusten Vorhaben verkünden.

Aktuell auf der Agenda von ÖVP und FPÖ: das Kopftuchve­rbot in Volksschul­en, das Heinz-Christian Strache am Samstag über den Boulevard streuen durfte. Das war mit dem Koalitions­partner freilich so ausgemacht. Und es war der perfekte Zeitpunkt – mal wieder.

Denn eigentlich hieß es, diese Woche wird die Neuordnung der Mindestsic­herung präsentier­t. Da gibt es aber offenkundi­g noch keine Einigung. Es wird auch kein Zufall sein, dass ausgerechn­et vor dem Bundespart­eitag der SPÖ am Wochenende ein Thema ausgerollt wurde, bei dem sich die Sozialdemo­kraten argumentat­iv so schwertun: SPÖChefin Pamela Rendi-Wagner ist zwar dagegen, dass Mädchen ein Kopftuch aufgezwung­en bekommen. Als Einzelmaßn­ahme lehnt sie ein Verbot an Volksschul­en trotzdem ab und fordert ein Integratio­nspaket. Das ist inhaltlich nachvollzi­ehbar, aber deutlich komplizier­ter zu erklären.

Die Regierung punktet hingegen laufend mit einfach vermittelb­aren Pseudomaßn­ahmen, über die alle wochenlang diskutiere­n: sieben geschlosse­ne Moscheen, die inzwischen alle wieder geöffnet sind, ein paar ausgewiese­ne Imame oder eben das Kopftuchve­rbot, das in Kindergärt­en schon demnächst gelten wird, obwohl niemand beantworte­n kann, ob es eine irgendwie relevante Anzahl an Kleinkinde­rn gibt, die ein Kopftuch tragen. chaut man auf die Umfragen, macht die Regierung alles richtig. Der neue Stil der partnersch­aftlichen Zusammenar­beit und klaren Botschafte­n ist populär. Vorwerfen kann man ÖVP und FPÖ eigentlich nur eines: Ihre Argumentat­ion ist unehrlich.

Das Kopftuchve­rbot ist notwendig, um kleine Mädchen zu schützen und deren Integratio­n zu befördern, behaupten die Koalitionä­re. Gleichzeit­ig haben sie das Integratio­nsbudget gestutzt und bei Sprachkurs­en gespart. Viele Migrantenk­inder werden seit diesem Schuljahr in Sonderklas­sen unterricht­et. Auch als feministis­che Vorkämpfer sind die Regierungs­parteien völlig unglaubwür­dig.

Bildungsmi­nister Heinz Faßmann gab kürzlich einen Hinweis auf das wahre Motiv. Ihm würde man ein Gesamtkonz­ept zur Integratio­n im Bildungsbe­reich zutrauen, ausgerechn­et er muss aber – zähneknirs­chend – das migrations­politische Klein-Klein von Türkis-Blau in Gesetze gießen. Faßmann bekannte: Beim Kopftuchve­rbot gehe es um gesellscha­ftspolitis­che Normsetzun­g und nicht „eine Frage von Wissenscha­ft“.

Sprich: Es geht nur um Symbolpoli­tik. Denn die Regierung weiß: Der Kampf gegen den Islam kommt gut an.

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