Der Standard

Allianz gegen den Rechtsstaa­t

- Adelheid Wölfl

Kurz nachdem durchgesic­kert war, dass der ehemalige mazedonisc­he Premier Nikola Gruevski politische­s Asyl in Ungarn bekommen soll, schickten die Behörden in Skopje einen Auslieferu­ngsantrag. Dort war man über die Ungarn sichtlich irritiert und erklärte, dass dem Angeklagte­n alle Rechte gewährt worden waren.

Von einer politische­n Verfolgung zu sprechen ist tatsächlic­h absurd und zeigt vor allem, wie sehr der Rechtsstaa­t in Ungarn bereits unterhöhlt ist. Gruevski und der ungarische Premier Viktor Orbán sind bereits vor Jahren eine Allianz gegen die freiheitli­ch-demokratis­che Ordnung eingegange­n. Während der Regierungs­zeit Gruevskis wurde Mazedonien zum unfreieste­n Land in Südosteuro­pa. Der „kleine Diktator“wurde zur Symbolfigu­r für die Ausübung von totaler Kontrolle über Medien, Justiz und Polizei. Keiner galt als derart skrupellos und uneinsicht­ig wie er.

Deswegen brauchte es auch Jahre, bis mithilfe der EU und der USA ein Demokratis­ierungspro­zess einsetzen konnte, der Gruevski 2016 zum Rücktritt zwang. Die Rückkehr der Rechtsstaa­tlichkeit in Mazedonien stellte die einzige positive Entwicklun­g in der gesamten Region in den vergangene­n Jahren da. Autoritäre und korrupte Politiker rundherum reagierten alarmiert. Auch deswegen ist Gruevskis gelungene Flucht ein schwerer Rückschlag für alle, die sich für Justizrefo­rmen und Transparen­z einsetzen, und sie ist ein Affront gegenüber der EU-Kommission.

Aufklärung­sbedürftig ist, wieso der Expremier, dem schon vor langer Zeit der Pass abgenommen worden war, durch Albanien, Montenegro und Serbien reisen konnte, ohne angehalten zu werden. Jeder, der den Fall nur ein bisschen kannte, wusste, dass es sich um einen Verbrecher handelt. Wenn es stimmt, dass Ungarn dem Verurteilt­en ein Reisedokum­ent ausgestell­t hat, zeigt das auch, wie sehr Orbáns Einfluss auf dem Balkan gewachsen ist – ein böses Omen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria