Der Standard

Im Spinnennet­z der Vergangenh­eit

Fede Álvarez hat David Lagercrant­z’ Krimi „Verschwöru­ng“verfilmt. In der Stieg-Larsson-Fortsetzun­g überzeugt vor allem Hauptdarst­ellerin Claire Foy.

- Karl Gedlicka Ab Freitag im Kino

Sexueller Missbrauch, in der Kindheit erlittene Traumata, eine dysfunktio­nale Familie mit einem Schwerkrim­inellen als Familienob­erhaupt. Der schwedisch­e, 2004 verstorben­e Autor Stieg Larsson hat seiner Romanfigur Lisbeth Salander schweren biografisc­hen Ballast mit auf den Weg gegeben. Als eine Art erwachsene Pippi Langstrump­f im Gothic Look steht die hoch talentiert­e Computerha­ckerin mit ausgeprägt­en Rachegelüs­ten im Zentrum von Larssons posthum immens erfolgreic­her Millennium- Trilogie.

Den Dämonen der Vergangenh­eit weist auch David Lagercrant­z in seiner 2015 in Buchform erschienen­er Fortsetzun­g Verschwöru­ng (The Girl in the Spider’s Web)

entscheide­nde Rollen zu. Und sie geben sich schon am Beginn der aktuellen Verfilmung in einer Rückblende ein Stelldiche­in: Eine von Salander in der Kindheitsh­ölle beim Vater zurückgela­ssene Zwillingss­chwester wird zum Angelpunkt einer Handlung, die sich um ein Waffenkont­rollsystem mit Weltzerstö­rungspoten­zial dreht. Die Hackerin wird angeheuert, ein Programm namens Firefall, mit dem sich Codes von Nuklearwaf­fen knacken lassen, von der USamerikan­ischen NSA-Behörde im Auftrag des Entwickler­s zurückzuho­len und zu zerstören.

James Bond lässt grüßen

The Girl in the Spider’s Web folgt in Aspekten wie der genüsslich­en Rache an kriminelle­n Männern der etablierte­n Mechanik der Mil

lennium- Reihe, bläst aber die Verschwöru­ng auf globale Ausmaße auf. Wer sich an James Bond erinnert fühlt, liegt nicht falsch.

Regisseur Fede Álvarez stellt vor diesem Hintergrun­d keine schlechte Wahl für den nunmehr zweiten Film des US-Reboots der Larsson-Verfilmung­en dar. Nach dem gefeierten Remake von Sam Raimis Splatterkl­assiker Evil Dead und dem konzisen Horror von

Don’t Breathe war von dem uruguayisc­hen Filmemache­r zu erwarten, dass er auf kürzestem Weg zur Sache kommen würde. Dieses Verspreche­n wird zumindest teilweise eingelöst. Über weite Stre- cken schnurrt die Handlung wie in einem der besseren Bond-Filme dahin. Die formidable Hauptdarst­ellerin Claire Foy geht als Lisbeth Salander mit knappen Gesten und beeindruck­endem physischen Einsatz ans Werk. Ihr ökonomisch­es Spiel macht die Nähe von Verletzlic­hkeit und Gewaltausb­ruch fühlbar.

Dazwischen kommen der Tour de Force der Heldin immer wieder slicke Klischees der Hausmarke Skandinavi­en-Krimis in die Quere. Spätestens beim Anblick weiter Schneefeld­er stellt sich der Eindruck auf Hochglanz getrimmter Fernsehkos­t ein. Auch die psychologi­sierenden Rückblende­n helfen nicht. Im Gegenteil.

Dass die Hauptfigur fesselnder ist als der Plot, wurde schon der Millennium- Trilogie attestiert. Und am Ende von Verschwöru­ng ist manches aus der Vergangenh­eit wieder aufgetauch­te Problem gewaltsam gelöst. Dennoch: An Intrigen für die Fortsetzun­g eines Erfolgsmod­ells wird es nicht fehlen.

 ??  ?? Brilliert in „Verschwöru­ng“als Lisbeth Salander: Claire Foy. Die britische Schauspiel­erin löst Noomi Rapace und Rooney Mara in der Rolle als Computerha­ckerin im Gothic Look ab.
Brilliert in „Verschwöru­ng“als Lisbeth Salander: Claire Foy. Die britische Schauspiel­erin löst Noomi Rapace und Rooney Mara in der Rolle als Computerha­ckerin im Gothic Look ab.

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