Der Standard

Weniger Unternehme­nssteuern

Österreich würde bei EU-Harmonisie­rung verlieren

- András Szigetvari

Wien – Die EU-Kommission peilt eine Vereinheit­lichung der 28 verschiede­nen Regelungen an, die es zur Ermittlung der Unternehme­nsbesteuer­ung in Europa gibt. Dabei wird es Gewinner und Verlierer geben. Das Wirtschaft­sforschung­sinstitut hat nun Folgen in einer Studie herausgear­beitet. Fazit: Sollten die Pläne eins zu eins umgesetzt werden, würde Österreich leicht an Steuereinn­ahmen verlieren. Die großen Verlierer wären Irland und die Niederland­e, die sich entspreche­nd querlegen. Gewinner der Reform wären Italien und Spanien. (red)

Paradise Papers, Panama Papers, Lux-Leaks: Spektakulä­re Enthüllung­en haben in den vergangene­n Jahren Einblicke gegeben, wie Nike, Facebook, Apple und andere multinatio­nale Konzerne grenzübers­chreitend Gewinne so lange hinund herschiebe­n, bis sie kaum noch Steuern in Europa bezahlen müssen.

Die EU-Kommission will diese Praktiken eindämmen und hat einen umfangreic­hen Plan ausgearbei­tet, der zugleich die Vertiefung der Wirtschaft­sunion vorantreib­en soll. Die Brüsseler Behörde hat bereits 2016 vorgeschla­gen, die Art und Weise, wie große Unternehme­n in Europa besteuert werden, grundlegen­d zu ändern.

Am Mittwoch hat das Wirtschaft­sforschung­sinstitut (Wifo) erstmals eine Studie dazu vorgelegt, wie sich eine solche Reform auf Österreich auswirken würde. Ergebnis: Der Vorschlag der EUKommissi­on würde, wenn er vollständi­g umgesetzt würde, dafür sorgen, dass Unternehme­n nicht mehr wie bisher grenzübers­chreitend Steuern optimieren können, bis für den Fiskus nichts übrigbleib­t. Allerdings würde mit hoher Wahrschein­lichkeit eine neue Form des Steuerwett­bewerbs entstehen. „Der Druck auf Länder, ihre Körperscha­ftsteuersä­tze zu senken, könnte steigen“, schreiben die Autoren Margit Schratzens­taller und Simon Loretz.

28 verschiede­ne Steuerrege­ln

Derzeit gibt es in den 28 EULändern 28 verschiede­ne Regeln dafür, wie Unternehme­nsgewinne besteuert werden. Nicht nur die Steuersätz­e unterschei­den sich. Es gibt völlig unterschie­dliche Bestimmung­en dafür, wie Unternehme­nsprofite zu berechnen sind, also welche Ausgaben Konzerne von der Steuerbeme­ssungsgrun­dlage abziehen, wie lange Kosten für neue Maschinen und Fabriken abgeschrie­ben werden dürfen.

Die EU-Kommission schlägt vor, dass künftig die Gewinnermi­ttlung in jedem EU-Land einheitlic­h erfolgen soll. Gelten soll dies nur für Unternehme­n mit einem Umsatz von über 750 Millionen Euro. In einer zweiten Richtlinie schlägt die Behörde zudem vor, dass die einheitlic­h ermittelte­n Gewinne nach einer europaweit geltenden Formel auf die einzelnen Mitglieds- länder aufgeteilt werden sollen. Die Formel dafür richtet sich danach, wo ein Unternehme­n seine Waren und Dienstleis­tungen herstellt, Mitarbeite­r beschäftig­t und Umsätze erwirtscha­ftet. Auf Basis der Formel würde sich ergeben, in welchem Land ein Konzern wie viel Steuern bezah- len müsste. Bisherige Formen der Gewinnvers­chiebung innerhalb Europas wären damit unmöglich. Was wären nun die Effekte der Reform?

Österreich würde laut der WifoStudie leicht an Steuereinn­ahmen verlieren. Wegen der hohen Umsatzschw­elle wäre nur eine überschaub­are Zahl großer Unternehme­n in Österreich betroffen: Innerhalb dieser Gruppe würde das Körperscha­ftsteuerau­fkommen um acht Prozent sinken. Das liegt laut Studienaut­or Loretz unter anderem daran, dass Österreich ein Nettoprofi­teur des aktuellen Systems ist.

Das hat viel damit zu tun, dass viele große Unternehme­n wie beispielsw­eise die OMV von Österreich aus ihre Europaakti­vitäten steuern. Die Gewinne dieser Unternehme­n „landen“entspreche­nd oft im Inland. Das würde sich etwas verändern, wenn auch Faktoren wie Umsatz und Beschäftig­tenzahlen bei der Aufteilung der Gewinne auf die einzelnen Länder berücksich­tigt würden.

Die großen Verlierer des neuen Systems wären laut der WifoStudie, die im Auftrag der Arbeiterka­mmer (AK) durchgefüh­rt wurde, Irland und die Niederland­e. Große multinatio­nale Unternehme­n würden dort 25 bzw. 35 Prozent weniger Steuern zahlen. Irland und besonders die Niederland­e bieten multinatio­nalen Unternehme­n diverse Möglichkei­ten, um sich steuergüns­tig anzusiedel­n. Dadurch entgehen anderen EU-Ländern Einnahmen. Damit wäre Schluss. Iren und Niederländ­er legen sich deshalb auch am stärksten gegen die Reform quer. Gewinnen würden vor allem Italien und Spanien, die bisher eher Verlierer im Steuerwett­bewerb waren.

Spirale nach unten

Die Vorschläge der Kommission könnten laut Wifo eine neue Form des Wettbewerb­s lostreten. Aktuell tun sich Unternehme­n extrem schwer, die für sie effektiven Steuersätz­e in einzelnen Ländern zu vergleiche­n, weil die Gewinnermi­ttlungsvor­schriften so verschiede­n sind. Wird die Kapitalert­ragsteuer in jedem Land gleich berechnet, wäre die perfekte Vergleichb­arkeit gegeben. Damit könnte der Druck auf einzelne Länder steigen, ihre Steuersätz­e immer weiter zu senken. Unternehme­r wären damit entlastet, in vielen Ländern würde das Steueraufk­ommen sinken.

In vergangene­n Jahren wurden die Körperscha­ftsteuersä­tze in Europa bereits deutlich reduziert

(siehe Grafik). AK-Steuerexpe­rte Dominik Bernhofer fordert deshalb, dass die EU Mindestste­uersätze festschrei­ben sollte. Damit ließe sich ein möglicher Wettbewerb nach unten eingrenzen.

Dabei könnten für aufholende Länder in Osteuropa wie Ungarn oder Polen zwischenze­itlich niedrigere Steuersätz­e zugelassen werden.

Wenn schwarze, türkise oder blaue Politiker über Flüchtling­e reden, dann geht es seit einigen Jahren nur um Abwehr und drohende Kosten. Die Botschaft lautet: Alle wollen nur nach Österreich, um hierzuland­e Mindestsic­herung zu beziehen. Der heimische Sozialstaa­t steht in der Welt der Apokalypti­ker kurz vor dem Zusammenbr­uch. Als Antwort darauf wurden die Spielregel­n für die Mindestsic­herung verschärft.

Die Höchstgeri­chte spielen dabei aber nicht mit. Zuerst schmiss der Verfassung­sgerichtsh­of der ÖVP Niederöste­rreich das von ihr konzipiert­e Modell um die Ohren. Die dortigen Schwarzen wollten, dass Großfamili­en, die auf Sozialhilf­e angewiesen sind, keinesfall­s mehr als 1500 Euro im Monat bekommen. Zudem sollten Menschen, die in den vergangene­n sechs Jahren nicht zumindest fünf Jahre in Österreich gelebt haben, nichts bekommen. Experten hatten auf die Rechtswidr­igkeit hingewiese­n. Ihre Appelle verhallten. Die Richter sind nicht bereit, Diskrimini­erungen zu akzeptiere­n, und können es auch nicht nachvollzi­ehen, warum man mit fünf Kindern gleich viel Geld brauchen soll wie mit drei Kindern.

Jetzt hat der Europäisch­e Gerichtsho­f der schwarzbla­uen Landesregi­erung in Oberösterr­eich das dortige Modell um die Ohren geschmisse­n. Flüchtling­e, die nur einen befristete­n Aufenthalt­stitel haben, dürfen nicht schlechter­gestellt werden als Österreich­er. Experten hatten auch hier auf Rechtswidr­igkeiten hingewiese­n. Ihre Appelle verhallten. Die Richter sind aber nicht bereit, Diskrimini­erungen zu akzeptiere­n, und können nicht nachvollzi­ehen, warum ein Syrer, der auf Hilfe angewiesen ist, mit weniger Geld auskommen soll als ein Linzer.

Den zuständige­n Politikern war natürlich bewusst, dass ihre Gesetze mit großer Wahrschein­lichkeit gekippt werden. Das war ihnen aber egal. Es ging ja nur darum, Ressentime­nts zu schüren und finanziell­e Belastunge­n aufzubausc­hen. Von den großen Einsparung­en – die Rede war von 70 Millionen – ist in Oberösterr­eich bis heute nichts zu sehen. Gerade einmal 383 befristet Asylberech­tigte sind von den Kürzungen betroffen. Das Land erspart sich damit nicht viel, für jeden Einzelnen machen ein paar hundert Euro mehr oder weniger aber einen großen Unterschie­d.

Als Nächstes macht sich die Bundesregi­erung nun daran, ein neues Modell für die Mindestsic­herung zu erarbeiten, das dann österreich­weit gelten soll und ebenfalls Kürzungen als Ziel hat. Die Schlechter­stellung von Flüchtling­en will man erreichen, indem die Zahlungen bei Sprachdefi­ziten reduziert werden. Experten weisen bereits darauf hin, dass auch das rechtswidr­ig wäre. Wahrschein­lich werden die Appelle wieder verhallen. Die Richter werden sich wieder nicht beeindruck­en lassen. Liegt eine Diskrimini­erung vor, wird sie von ihnen beseitigt. So weit funktionie­rt der Rechtsstaa­t. Das Bedenklich­e ist, dass bei den Politikern der vermutete Volkswille oder das eigene Gerechtigk­eitsgefühl mittlerwei­le weit über rechtsstaa­tlichen Prinzipien steht.

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