Der Standard

Trumps Dilemma mit dem saudischen Kronprinze­n

Dem deutschen Lieferstop­p folgen bisher keine anderen maßgeblich­en Rüstungsex­porteure

- Manuel Escher

Wer verkauft eigentlich noch Waffen an SaudiArabi­en, möchte man nach den hastigen Ankündigun­gen der letzten Tage, dem deutschen Exportstop­p, Empörung in vielen EU-Staaten und einer Embargo-Resolution des EU-Parlaments Ende Oktober fragen. Die Antwort ist einfach: Fast alle tun es – jedenfalls fast alle, die bisher Waffen nach Riad geschafft haben.

Zwar haben neben Deutschlan­d auch die Niederland­e, Schweden, die belgische Region Flandern und Norwegen schon vor geraumer Zeit Begrenzung­en angekündig­t – große Auswirkung­en hatte das aber nicht. Denn die neben Deutschlan­d größten EU-Exporteure Großbritan­nien, Frankreich, Italien und Spanien liefern weiter.

Möglich macht das eine unterschie­dliche Auslegung der „gemeinsame­n Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtec­hnologie und Militärgüt­ern“der EU aus dem Jahr 2008. Sie sehen zwar vor, den Export zu verweigern, wenn „das Risiko besteht“, dass die Güter entweder für „schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrech­t“oder „zum Zwecke der Aggression gegen ein anderes Land“eingesetzt werden. Ob das im Falle des saudi-arabisch geführten Jemen-Krieges der Fall ist, ist aber umstritten. So urteilte ein Gericht in London 2017, die Saudi-Koalition nehme „nicht bewusst Zivilisten ins Visier“.

Weil zahlreiche Staaten weiterhin liefern, stoßen auch Maßnahmen wie der deutsche Lieferstop­p an ihre Grenzen: So kaufte SaudiArabi­en etwa jüngst via Großbritan­nien Eurofighte­r, die zu einem Drittel deutsche Teile beinhalten. Zudem können deutsche Firmen weiter über Tochterunt­ernehmen liefern – jüngst in den Medien war Rheinmetal­l, das über die Tochter RWM Italia Munition liefern soll.

Saudi-Arabien, so viel ist klar, ist jedenfalls ein wichtiger Kunde für die Rüstungssp­arte vieler Länder: Dem Stockholme­r Friedensfo­rschungsin­stitut Sipri zufolge war das Land zwischen 2013 und 2017 der zweitgrößt­e Waffenkäuf­er der Welt und der wichtigste Abnehmer für vier der 25 größten Rüs- tungsexpor­teure: USA, Großbritan­nien, Kanada und die Schweiz. Der drittwicht­igste Käufer war es für Spanien, Schweden, die Türkei und Finnland. Laut Zahlen des Berliner Wirtschaft­samts, die der Spiegel veröffentl­ichte, war Riad in den ersten drei Quartalen 2018 außerdem auch der zweitbeste Kunde deutscher Waffenschm­iede.

Gesamtwert von Milliarden ...

Um welche Geldsummen es dabei geht, ist wegen der meist geheimen Natur der Geschäfte nicht ganz sicher: Über einen langjährig­en Zeitraum berechnet, geht es oft um einen Wert von mehreren Hundert Millionen Euro. Das gesamte saudi-arabische Importvolu­men für Rüstungsgü­ter beziffert das Analystenh­aus IHS Markit für das Jahr 2018 mit 7,3 Milliarden US-Dollar (6,4 Milliarden Euro). Einen ähnlichen Wert gibt auch Sipri für das Jahr 2017 an, er liegt umgerechne­t bei etwa 7,9 Milliarden Dollar (6,9 Milliarden Euro). Dabei handelt es sich um eine nur ungefähre Umrechnung, denn Sipri selbst gibt den Preis in der hauseigene­n Einheit an, die dem Dollarwert von 1990 entspricht. Beide Institute beziehen sich auf öffentlich­e Daten – gut möglich, dass die Dunkelziff­er höher liegt.

... aber nicht von hunderten

Die Aussagen Donald Trumps, der von US-Deals im Wert von 450 Milliarden Dollar spricht, sind trotzdem klar übertriebe­n. Und es ist auch unklar, wie der US-Präsident überhaupt zu diesen Zahlen kommt. Selbst wenn man alle „angedachte­n Waffenverk­äufe“addiert, die das Pentagon auflistet, kommt man auf nur 110 Milliarden Dollar. Tatsächlic­h dürfte die Zahl noch deutlich darunter liegen: Fix hat Riad von diesem Volumen bisher Aufträge über 14,5 Milliarden Dollar unterzeich­net.

Und Österreich? Außenminis­terin Karin Kneissl (FPÖ) hat Ende Oktober einen EU-weiten Stopp von Rüstungsex­porten nach Riad gefordert, Wien liefere schon seit Beginn der Offensive 2015 „kein Kriegsmate­rial“mehr dorthin. Österreich­ische Sturmgeweh­re und militärisc­he Fahrzeuge erfreuen sich im jemenitisc­hen Kriegsgebi­et trotzdem großer Beliebthei­t.

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