Der Standard

US-saudische Allianz in einer sehr gefährlich­en Welt

Dass der US-Präsident Saudi-Arabien fallenlass­en würde, war nicht zu erwarten. Zu groß sind die gemeinsame­n Interessen. Zum Khashoggi-Mord meinte Trump sinngemäß: Da kann man eben nichts machen.

- ANALYSE: Gudrun Harrer

America first“, begann USPräsiden­t Donald Trump sein Statement zum Verhältnis zwischen den USA und Saudi-Arabien im Lichte der Khashoggi-Affäre – und die saudische Tageszeitu­ng Okaz entwickelt­e das Trump’sche Stereotyp auf ihrer Titelseite prompt weiter: „An die ganze Welt – Saudi-Arabien zuerst“. Völlig ungetrübt kann in Riad die Freude über das Bekenntnis des US-Präsidente­n zur Partnersch­aft mit Saudi-Arabien jedoch nicht sein. Immerhin schloss Trump in seinem Statement nicht aus, dass Kronprinz Mohammed bin Salman in die Ermordung von Jamal Khashoggi verwickelt war. Der saudische Publizist war am 2. Oktober im Konsulat seines Heimatland­es in Istanbul von saudischen Agenten getötet worden, seine Leiche war zerstückel­t und mutmaßlich in Säure aufgelöst worden.

Mit seinem zweiten Satz – „Die Welt ist ein sehr gefährlich­er Ort“– meinte Trump aber nicht etwa die Gefahr, die Kritikern des saudischen Regimes nicht nur zu Hause, sondern eben auch im Ausland droht, sondern den Iran. Der sei am Krieg im Jemen und demnach auch an dessen Folgen schuld, den Saudi-Arabien gern beenden würde. Da wurde den Saudis, deren Bombardeme­nts mit im Ausland eingekauft­en Waffen viel zu oft zivile Ziele treffen, ein Freibrief ausgestell­t.

Der iranische Außenminis­ter Mohammed Javad Zarif stellte auf Twitter die Frage, ob Teheran denn auch daran schuld sei, dass die kalifornis­chen Wälder nicht ordentlich gerecht seien. Man kann sich aber nicht darüber freuen, dass der amerikanis­che Präsident zur Witzfigur geworden ist, dessen Behauptung­en genüsslich aus- einanderge­nommen werden, wie etwa die Zahlen zu den Geschäften mit Saudi-Arabien in seinem Statement. Die Probleme im Nahen Osten sind dafür viel zu ernst, und zu ihnen gehört auch die iranische Hegemonial­politik.

Dass Trump die strategisc­hen Beziehunge­n der USA zu Riad für einen „Feind des Staates“– als den die Saudis Khashoggi sahen, wie er einflocht – opfern würde, war nicht zu erwarten gewesen. Das Verhältnis bestehe zwischen den USA und Saudi-Arabien – und nicht dem Kronprinze­n, war der unausgespr­ochene Nachsatz. Als direkt Interessie­rten an der USsaudisch­en Partnersch­aft nannte Trump Israel. In der Tat steht und fällt die Vision des US-Präsidente­n, die eine arabisch-israelisch­e Allianz gegen den Iran vorsieht, mit Saudi-Arabien.

König Salmans Rede

Wobei die Schwächung von MbS, wie der 33-jährige Königssohn Mohammed bin Salman meist genannt wird, für die Aussichten dieser Allianz Folgen haben könnte. Die Rede von König Salman zur Eröffnung der Shura wurde am Montag aufmerksam verfolgt. Vor dem von ihm ernannten Rat, in dem die saudischen Eliten – seit einigen Jahren auch Frauen – sitzen, betonte der König die Palästinen­ser als zentralen Punkt der saudi-arabischen Außenpolit­ik. Dass Mohammed bin Salman das anders sieht, ist ein offenes Geheimnis.

Solange König Salman an der Macht ist, dürfte es den „großen Deal“mit Saudi-Arabien also nur gemeinsam mit einer palästinen­sischen Staatsgrün­dung geben. Die rechte israelisch­e Justizmini­sterin Ayelet Shaked ließ Trump am Mittwoch bei einer Konferenz der Jerusalem Post ausrichten, dass er seine Zeit nicht mit Friedenspl­änen verschwend­en solle, das werde nicht funktionie­ren.

Lob für die Reformen

König Salman (82), der als gesundheit­lich angeschlag­en gilt, hatte in seiner Rede keinen Hinweis gegeben, dass sein Vertrauen in seinen Sohn im Schwinden begriffen sei: Im Gegenteil, er lobte den Reformkurs des Königreich­s, dessen treibende Kraft MbS ist. Das ist in der Tat ein großes Dilemma: Parallel zur wachsenden Repression, die Khashoggi in seinen Kolumnen in der Washington Post kritisiert hatte, wurden seit MbS’ Aufstieg sanfte gesellscha­ftliche Veränderun­gen auf den Weg gebracht. Dazu gehört etwa die wachsende Partizipat­ion von Frauen in der Wirtschaft. Viele Saudis befürchten, dass dieser Kurs zu einem abrupten Halt kommt, wenn der Thronfolge­r an Einfluss verliert oder gar abtritt.

Am Mittwoch legte der US-Präsident aus seinem Feriendomi­zil Mar-a-Lago per Twitter noch etwas auf sein Saudi-Lob drauf: Die Ölpreise würden fallen, „Thank you to Saudi Arabia“. Ölpreis, Waffenverk­äufe und die Allianz gegen den Iran waren die drei in seiner Erklärung genannten Gründe für seine Treue zu Riad. Und der Kampf gegen den Terrorismu­s. Allerdings vermerkt ein aktueller Bericht der „Anti-Defamation League“, dass in saudischen Schulbüche­rn weiterhin gegen Christen, Juden, Schiiten, Sufis und andere gehetzt wird. Bis dorthin ist MbS’ Kunde, dass der saudische Islam ja eigentlich moderat sei, noch nicht gedrungen.

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Mohammed bin Salman bei Donald Trump: Es könne sein – oder auch nicht –, dass der saudische Kronprinz vom Khashoggi-Mord gewusst habe, sagte der US-Präsident in seinem Statement.

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