Der Standard

Mehr Transparen­z auf dem Pflege-Markt Der VKI testete die Vermittlun­gsagenture­n von 24- Stunden-Betreuungs­kräften. Er stieß auf Informatio­nsdefizite für die Kunden und umstritten­e Vertragskl­auseln für die Betreuerin­nen.

- Gabriele Scherndl

Zweifelhaf­te Verträge, Ausbeutung und Abhängigke­it – im Geschäft mit der 24Stunden-Betreuung konkurrier­en seriöse Anbieter mit Mafiastruk­turen. Familien, die eine Betreuungs­kraft suchen, bewegen sich auf einem intranspar­enten Markt: Ihnen stehen österreich­weit rund 800 Agenturen gegenüber, die online kaum über ihre Leistungen informiere­n. Der Verein für Konsumente­ninformati­on (VKI) hat 26 Vermittlun­gsagenture­n – unter ihnen die „Großen“wie Caritas, Hilfswerk und Volkshilfe und andere zufällig ausgewählt­e Anbieter – getestet. Das Ergebnis: Man gibt sich zugeknöpft. „Nur ein Bruchteil der Agenturen hat mitgemacht“, sagt Juristin Ulrike Docekal bei der Präsentati­on der Ergebnisse am Mittwoch.

Der VKI schickte einen Fragebogen an 26 Agenturen, elf antwortete­n. Informatio­nen über die restlichen suchte der VKI auf den jeweiligen Websites, außerdem prüfte er 60 Verträge und ließ eine Betreuungs­kraft und zwei Testfamili­en Kontakt zu den Agenturen aufnehmen. Zehn der 26 Agenturen wurden als „wenig zufrieden- stellend“eingestuft, sieben davon, weil sie keine Verträge vorlegten. Fünf der getesteten Agenturen – Caritas, Hilfswerk, BestCare24, Pura-Vita und die Volkshilfe – schnitten mit „sehr gut“ab.

Strafen bis zu 5000 Euro

Sechs der geprüften Verträge zwischen Familie und Betreuerin enthielten Inkassovol­lmachten, das heißt, dass Kunden das Geld nicht direkt an die Betreuungs­kraft – rechtlich ist sie selbststän­dig –, sondern an die Agentur bezahlen. Der VKI sieht das kritisch, man gibt damit die Kontrolle darüber ab, ob das gesamte Geld ankommt. Oft würden ausländisc­he Partnerage­nturen mitschneid­en.

Außerdem enthielt die Hälfte der Verträge Konkurrenz­klauseln mit Strafzahlu­ngen von bis zu 5000 Euro, die Betreuerin­nen – meist Frauen aus Osteuropa – leisten müssen, wenn sie die Agentur wechseln oder ohne Zwischenin­stanz mit der Familie arbeiten wollen. Der VKI prüft nun Klagen gegen unfaire Vertragskl­auseln, er konnte in den letzten zehn Jahren bereits insgesamt 1000 Klauseln in der Pflegebran­che beseitigen.

Er stellte beim Test außerdem fest, dass Agenturen ihrer Informatio­nspflicht gegenüber der Familien eher nachkamen, wenn die Betreuung unmittelba­r bevorstand, anstatt nur absehbar war. In beiden Fällen aber wurde selten gefragt, ob es im Haus ein Zimmer für die Betreuerin gäbe.

Kosten variieren stark

Die Vermittlun­gsgebühren bewegten sich bei den getesteten Agenturen zwischen 249 und 3650 Euro jährlich, die Betreuungs­kosten zwischen 39 und 110 Euro pro Tag. Die Fahrt der Betreuungs­kraft zurück in ihr Heimatland zahlt oft die Familie, sie kostet zwischen 50 und 420 Euro.

Was der VKI nicht überprüfen konnte, war die Freiwillig­keit der Fahrt: Manche Agenturen zwingen Betreuerin­nen dazu, mit agentureig­enen und teils gefährlich­en Taxis zu fahren. Vor einem Jahr erregte ein Fall Aufmerksam­keit, bei dem der Fahrer und sechs Pflegerinn­en bei einem Unfall in der Slowakei starben. Ebenfalls nicht getestet wurde, ob die Qualifikat­ion der Betreuerin­nen ausreicht, um eine pflegebedü­rftige Person zu betreuen. Wie berichtete, arbeiten manche der Pflege- und Betreuungs­kräfte mit gefälschte­n Zertifikat­en.

Das Gesundheit­sministeri­um lässt derzeit ein einheitlic­hes Qualitätsz­ertifikat für Vermittlun­gsagenture­n erarbeiten.

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24-Stunden-Betreuerin­nen sind rund um die Uhr für ihre Pflegepers­onen da. Sie selbst stecken oft in einem System der Abhängigke­it.

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