Der Standard

Erstflug eines Ionenflugz­eugs

US-Techniker vom MIT haben einen Flieger entwickelt, dessen Antrieb ohne bewegliche Teile auskommt, keinen fossilen Treibstoff verbraucht und völlig lautlos arbeitet. Für den nötigen Schub sorgt ein „Ionenwind“.

- Thomas Bergmayr

Am 17. Dezember 1903 hoben die Brüder Wilbur und Orville Wright in Kitty Hawk, North Carolina, zu ihrem ersten Flug mit einem motorisier­ten Flugzeug ab. Ob dies auch der erste Motorflug der Geschichte war, ist zwar noch immer umstritten. Fest steht allerdings, dass die zwölf Sekunden dauernde und 37 Meter weite „Reise“die Zukunft der Luftfahrt nachhaltig verändert hat: Seit diesen Pioniertag­en werden Flugzeuge mithilfe von Propellern und, seit den 1930erJahr­en, auch mit Turbinenst­rahlund Raketentri­ebwerken durch die Luft befördert.

All diese Motoren haben eines gemeinsam: Sie kommen nicht ohne das Zusammensp­iel zahlreiche­r Komponente­n aus und verursache­n dabei in der Regel auch viel Lärm und Abgase. Nun aber haben Wissenscha­fter vom Massachuse­tts Institute of Technology (MIT) in Cambridge bei Boston den Prototyp eines Fluggeräte­s konstruier­t, dessen Antrieb gänzlich ohne bewegliche Teile auskommt. Anstelle einer Turbine oder eines Propellers sorgte ein „Ionenwind“, also ein geräuschlo­ser, aber kräftiger Fluss geladener Teilchen, der an Bord des Modellflie­gers erzeugt wird, beim erfolgreic­hen Testflug über eine größere Distanz für den nötigen Schub.

„Unser Konzept eröffnet neue Möglichkei­ten für künftige Luftfahrze­uge, die leiser und mechanisch simpler aufgebaut sind als bisherige Varianten und dabei keine Abgase ausstoßen“, sagt Steven Barrett vom Department of Aeronautic­s and Astronauti­cs des MIT. Als Inspiratio­n für den Ionenantri­eb fungierte unter anderem die TV-Serie Star Trek, für die sich Barrett seit seiner Kindheit begeistert. Insbesonde­re die futuristis­chen Shuttles, die scheinbar mühelos durch die Luft schwebten, hatten es ihm angetan.

Was sich nun in einer Sporthalle des MIT in die Lüfte erhob, hat freilich nur wenig zu tun mit dieser Zukunftsvi­sion: Der knapp 2,5 Kilogramm schwere Flieger mit einer Spannweite von fünf Metern gleicht äußerlich eher den ersten Entwürfen der Gebrüder Wright und sollte vorerst auch nur die prinzipiel­le Umsetzbark­eit des Ionenwind-Antriebs beweisen. Die im Fachjourna­l Nature vorgestell­te Konstrukti­on besteht aus Drähten, die längs der Tragfläche­nvorderkan­te angebracht sind und als positiv geladene Elektroden fungieren. An der Hinterseit­e der Flügel verlaufen ähnliche, negativ geladene Drähte.

Im Rumpf wurden LithiumPol­ymer-Batterien sowie ein Konverter verbaut, die an die Drähte eine Spannung von 40.000 Volt legten. Sobald die Elektroden unter Strom stehen, entziehen sie an der Front der umgebenden Luft negativ geladene Elektronen. Die auf diese Art ionisierte­n Luftmolekü­le werden von den negativ geladenen Drähten an der Flügelrück­seite angezogen. Dabei erzeugen sie durch millionenf­ache Kollisione­n mit anderen Luftteilch­en einen überrasche­nd starken Schub, genug jedenfalls, um das Flugzeug rund 60 Meter über dem Boden dahingleit­en zu lassen. Insgesamt zehnmal wurde der Flieger durch die Halle geschickt, jedes Mal mit demselben Erfolg.

Drohnen und Hybridflie­ger

„Dies war die einfachste Variante eines Flugzeugs, das die Funktionst­üchtigkeit unseres IonenKonze­ptes beweisen kann“, räumt Barrett ein. Für ein Fluggerät, das eine nützliche Aufgabe erfüllt, müsste der Antrieb vor allem effiziente­r werden, so der Forscher. Doch daran arbeitet sein Team bereits. Barrett und seine Kollegen sind optimistis­ch, dass der Ionenwind-Antrieb schon bald etwa bei neuartigen lautlosen Drohnen zum Einsatz kommen könnte. Etwas weiter in der Zukunft sehen die Wissenscha­fter Passagier- oder Frachtflug­zeuge mit Hybridtrie­bwerken, die mit einem Bruchteil des Treibstoff­verbrauchs heutiger Maschinen auskommen würden.

 ??  ?? Ein paar Drähte, eine Batterie und ein Konverter reichten als Antriebsag­gregat aus, um einen Prototyp 60 Meter weit durch eine Sporthalle fliegen zu lassen.
Ein paar Drähte, eine Batterie und ein Konverter reichten als Antriebsag­gregat aus, um einen Prototyp 60 Meter weit durch eine Sporthalle fliegen zu lassen.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria