Arche Noah auf rauer See
In dem Verein für Saatgutvielfalt brodelt es: Nach einer Neuaufstellung des Vorstands decken sich Alt- und Neumitglieder mit Klagen ein. Im Dezember soll Klarheit folgen.
Eigentlich sollte die Arche Noah – zumindest im biblischen Sinne – ein sicherer Hafen sein. Doch in dem Verein, der sich für die Erhaltung der Saatgutvielfalt einsetzt, geht es derzeit turbulent zu. Nachdem der bisherige Obmann ab- und ein neuer Vorstand gewählt wurde, befindet sich die NGO in einem Rechtsstreit, der noch andauern könnte.
Leckgeschlagen ist die Arche vor rund einem Jahr: Im Herbst 2017 geriet die Tochter-GmbH des Vereins in finanzielle Schwierigkeiten. Im Vorstand wurde beschlossen, die Tochter zu schließen und ein Sanierungsverfahren einzuleiten, erzählt Christian Schrefel, der 2011 zum Obmann des Vereins gewählt wurde, im Gespräch mit dem Δtandard.
Unter Deck dürfte es aber schon länger brodeln: Schrefel und der ehemalige Kassier wollten den Verein professionalisieren, „ökonomische Werte standen auf einmal vor ökologischen und sozialen Werten“, sagte Alfred Grand, Mitglied des neu gewählten Vorstands, am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. Regionalität habe einen ge- ringeren Stellenwert bekommen, und auch die Qualität der Produkte habe nicht mehr gestimmt, so Grand. In der Arche Noah hätten „unerträgliche Arbeitsbedingungen“geherrscht, erzählte unterdessen Bernd Kajtna, der seit Herbst Geschäftsführer des Vereins ist.
Letztlich haben wohl sowohl ökonomische als auch inhaltliche Probleme zu einer Neuaufstellung geführt. Zum „ersten großen Crash“, wie Grand ihn bezeichnet, kam es am 8. September. Für diesen Tag hatte die Rechnungsprüferin des Vereins eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen. Nach Ansicht von Schrefel hätte die Versammlung rechtlich nicht stattfinden dürfen: Die Einladung ging „von der falschen Person aus“. Außerdem hätten nicht alle Mitglieder eine Einladung erhalten. Schrefel wollte die Versammlung verhindern und wurde nach eigenen Angaben bedroht, erhielt anonyme Anrufe und wurde beschimpft.
An der Versammlung nahmen schließlich über 300 Mitglieder teil – mehr als je zuvor in der Geschichte des Vereins. Laut Schrefel setzten sich die Teilnehmer größtenteils aus dem Umfeld der 34 Mitarbeiter zusammen. Darunter zahlreiche Neumitglieder, die die Arbeit des 30-jährigen Vereins nicht repräsentieren würden.
Am 8. September wurde im Beisein mehrerer Juristen ein neuer Vorstand gewählt, vier Vorstandsmitglieder traten zurück. Schrefel sollte als Obmann im Amt bleiben, „um eine gewissenhafte, geordnete Übergabe zu gewährleisten“, wie es in einer Aussendung der Arche Noah heißt.
Doppelte Wahl
Gewählt wurde jedoch ein zweites Mal: Nur fünf Tage nach der ersten Abstimmung erklärte Schrefel die Versammlung für ungültig, wie Grand erzählte. Die Wahl wurde wiederholt und ein interimistischer Vorstand gewählt, der bis zur ordentlichen Mitgliederversammlung im Dezember das Ruder übernehmen soll.
Darauf folgten insgesamt zehn Klagen gegen den neu gewählten Vorstand, wobei eine in erster Instanz vom Landesgericht St. Pölten zurückgewiesen wurde. „Die Ne- belgranaten prallen an der Außenwand der Arche Noah ab“, kommentierte Grand die Klagewelle. Dennoch will der Vorstand mit einer einstweiligen Verfügung und einer Unterlassungsklage kontern.
Schrefel ist überzeugt: „Ich bin nach wie vor Obmann.“Er möchte sich mit dem neuen Vorstand an einen Tisch setzen. Den Verein würde er „gerne gut übergeben“. Der neu gewählte Vorstand zeichnet ein etwas anderes Bild: Schrefel verweigere, die Realität anzunehmen. Mittlerweile würden zwei Gutachten die Rechtmäßigkeit des neuen Vorstands bestätigen.
Geklärt ist der Streit noch nicht. Nur in einem Punkt sind sich beide Seiten einig: Für die Arche Noah bestehe „keine Gefahr zu sinken“, so Schrefel. Und: „Die Bewegung hält das aus“, so Grand. Tatsächlich ist der Verein mit über 15.000 Mitgliedern in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Künftig will die NGO die Verbreitung alter Sorten nicht nur im Hochbeet, sondern auch in Landwirtschaft und Einzelhandel vorantreiben.