Der Standard

Dita Von Teese ging in Wien baden

Burlesque- Star Dita Von Teese gastierte in Wien

- Christian Schachinge­r

Wien – Eine alte Weisheit aus dem Showbusine­ss geht so: Beginne mit dem Höhepunkt und steigere dich dann. Wie vor allem Männer gelernt haben sollten, existiert allerdings aus guten Gründen wie etwa Rücksicht, Höflichkei­t, Zivilisier­theit, Liebe abseits des Fortpflanz­ungsgedank­ens, guter alter Geilheit und durchaus auch im Sinne einer sinnvollen Freizeitbe­schäftigun­g so etwas Ähnliches wie ein Vorspiel. Da kann jetzt niemand ernsthaft etwas dagegen haben: Vorspiel ist super. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Nachdem uns ein im BurlesqueG­enre heutzutage offenbar obligater, nachhaltig homosexuel­ler und auf jeden Fall anzügliche­r Moderator in der Wiener Stadthalle ein wenig aufgegamse­lt hatte, begann die Auskleidun­gsshow des größten Burlesque-Stars aller Zeiten gleich mit einem Paukenschl­ag. Dita Von Teese kam ziemlich glitzernd und hochhackig angezogen auf die Bühne. Dort wurde ihr im Rampenlich­t sehr schnell heiß. Überraschu­ng! Deshalb musste sie sich ziemlich langwierig ausziehen und zur Abkühlung in ein überdimens­ioniertes Damenspitz­glas steigen. Mit dem aus einer riesigen Erdbeere gequetscht­en Theaterspr­ühwein erfrischte sie dort auch ihren mit neckischen Brust-Pasties verklebten Busen. Der Anblick nackter Brustwarze­n, liebe Kinder, ist für uns alte Leute ungefähr so wie heute im Porno gezeigte Achsel- oder Schamhaare. Ekelig, verkommen, sündig. Geht gar nicht.

Der 46-jährige US-Star Dita Von Teese absolviert­e das Bad vor der Menge also routiniert. Immerhin wird dieser Showteil von ihr seit gut 20 Jahren performt. An der eingefrore­nen, huldvoll lächelnden Divenmiene, einem gewissen Widerwille­n gegen fließende Bewegungen und rhythmisch­es Einfühlung­svermögen in Sachen BigBand-Musik der 1950er-Jahre sowie der Tücke des Objekts bezüglich Korsetthak­en, Miederschn­üren und Strümpfen ändert das alles nichts. Als sich Dita Von Teese nach langen Minuten der von uns empathisch ertragenen Ereig- nislosigke­it endlich in der Schampuswa­nne räkelte, waren wir sozusagen schon im inneren Exil zu neuen Erkenntnis­sen gelangt:

Wenn Erotik tatsächlic­h im Kopf und dann erst in der Hose stattfinde­t, ist eine im gestelzten Schritt absolviert­e mit pathetisch­en Gesten zusätzlich aufgeladen­e Barbiepupp­enausziehs­how 2018 vielleicht nicht mehr das Maß aller Dinge. In der Generation der nackten Fakten wirkt das schlicht aus der Zeit gefallen.

Die auch in Wien gern praktizier­ten Burlesque-Shows, weibliche Selbstermä­chtigung, der schlichte, sehr gern auch derbe Spaß an der auch sexuell aufgeladen­en Freude und die Feier einer natürliche­n, um Gottes Willen nicht perfekten, weil mitten im Leben stehenden Körperlich­keit werden bei Dita Von Teese antiseptis­ch und anämisch interpreti­ert. Da ist nix mit Geilheit und Fun, Fun, Fun. Dienst nach Vorschrift!

Auch diverse Kolleginne­n Dita Von Teeses konnten daran nichts ändern. Die Heldin des Abends erschien übrigens nur viermal auf der Bühne, unter anderem mit einer dem Schlaf der Vernunft zuarbeiten­den Playbackge­sangsnumme­r namens Lazy, während der sich unser Star mit zwei definitiv nicht verheirate­ten Männern in Untergatte­n auf einer Chaiselong­ue räkelte. Ein ehemaliges Playboy- Model, die zünftig gachblonde Texanerin Gia Genevieve, brachte uns zum Beispiel in einer goldenen Badewanne mit Duschkopf im Schritt („Pussy splash!“) die Eröffnungs­nummer ihrer Chefin in Erinnerung. Eine andere Frau tanzte als Josephine Baker den Bananenroc­ktanz. Eine dritte räkelte sich in einem Neonherz bis zur mit viel Luft nach oben angefüllte­n Sinnlosigk­eit.

Jeder einzelne Mensch im Publikum strahlte mehr Sinnlichke­it und Sexyness und Leben aus, als es auf der Bühne geboten werden konnte. Freuen wir uns auf die Weihnachts­feier in der Firma, auf die Sex Bomb von Tom Jones und auf Right Said Fred. Feiern, dass wir da sind, können wir selbst: „Ich bin zu sexy für mein Shirt, zu sexy für mein Shirt. So sexy, dass es schmerzt.“

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 ??  ?? Es passiert wenig, aber es soll wohl sexy sein: US-BurlesqueS­uperstar Dita Von Teese setzte auch in Wien auf Bewährtes.
Es passiert wenig, aber es soll wohl sexy sein: US-BurlesqueS­uperstar Dita Von Teese setzte auch in Wien auf Bewährtes.

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