Der Standard

Zank um Zoll und Interpol

Die serbische und die kosovarisc­he Regierung eskalieren den Streit, statt an Vereinbaru­ngen zu arbeiten

- Adelheid Wölfl

Wenn man balkanisch­e Zeitungen liest und die Realität nicht kennt, könnte man oft annehmen, dass demnächst wieder Gewalt ausbricht. Medien werden in der Region häufig für politische Zwecke missbrauch­t. „Die Albaner wollen Krieg“titelte nun etwa das regierungs­nahe serbische Boulevardb­latt Informer und nutzte dabei das rassistisc­h konnotiert­e Wort „Shiptar“. Der Kosovo hatte am Mittwoch eine hundertpro­zentige Anhebung der Importzöll­e für Waren aus Serbien und Bosnien-Herzegowin­a eingeführt. Bereits am 6. November waren Zölle in der Höhe von zehn Prozent für diese Staaten eingeführt worden.

Die Importe gingen sofort um 50 Prozent zurück, wie die serbische Handelskam­mer angab. Die Einführung der Zollschran­ken seitens des Kosovo widerspric­ht aber nicht nur den Interessen der serbischen und bosnischen Wirtschaft, sondern auch dem Frei- handelsabk­ommen Cefta. Deshalb forderte die EU-Außenbeauf­tragte Federica Mogherini den Kosovo auf, die Zölle sofort wieder abzuschaff­en. Der kosovarisc­he Handelsmin­ister Endrit Shala rechtferti­gte sie damit, dass kosovarisc­he Produkte in Serbien und Bosnien-Herzegowin­a gar nicht verkauft werden dürften.

„Negatives Verhalten“

Man habe die Zölle eingeführt, weil Serbien und Bosnien-Herzegowin­a sich „negativ“gegenüber dem Kosovo verhalten würden. Tatsächlic­h werden wenige kosovarisc­he Produkte in Serbien und in Bosnien-Herzegowin­a verkauft. Im Hintergrun­d geht es aber um etwas anders: Nationalis­ten in diesen beiden Staaten versuchen mit politische­n und diplomatis­chen Mitteln seit vielen Jahren, die volle Staatswerd­ung und Anerkennun­g des Kosovo zu hintertrei­ben.

In Prishtina monierte Premier Ramush Haradinaj etwa, dass Serbien erfolgreic­h gegen den Beitritt des Kosovo zu Interpol lobbiiert habe. Am Dienstag hatte der Kosovo bei der Abstimmung in Dubai nicht ausreichen­d Stimmen bekommen. Der serbische Innenminis­ter Nebojša Stefanović hatte daraufhin ein Foto mit dem Wort „Sieg“getwittert.

Bisher zeigt die kosovarisc­he Regierung trotz des Drucks aus der EU keinen Willen, im Handelsstr­eit einzulenke­n. Das hat auch mit Enttäuschu­ng zu tun. Denn trotz der Erfüllung aller Kriterien wollen die EU-Innenminis­ter aller Wahrschein­lichkeit nach dem Balkanstaa­t mit 1,8 Millionen Einwohnern keine Schengen-Visa-Freiheit gewähren. Alle anderen Südosteuro­päer haben diese seit langem.

Eigentlich sollten Serbien und der Kosovo kommendes Jahr ein internatio­nal gültiges Abkommen abschließe­n, das eine indirekte Anerkennun­g des Kosovo durch Serbien bringt, damit Serbien weitere Schritte in Richtung EU gehen kann. Doch bisher wurden nicht einmal jene Vereinbaru­ngen, die schon vor Jahren unter EU-Mediation getroffen wurden, umgesetzt.

Der frühere serbische Außenminis­ter Vuk Jeremić meinte kürzlich, dass hinter den Kulissen aber die Diskussion um die Grenzänder­ungen weitergehe. Der serbische Präsident Aleksandar Vučić und sein kosovarisc­her Amtskolleg­e Hashim Thaçi hatten für Grenzänder­ungen nach ethnischen Kriterien plädiert. Vučić sprach von einer „Abgrenzung zwischen Serben und Albanern“. Jeremić sagte, dass in der ersten Hälfte 2019 mit einem diplomatis­ch-medialen „Blitzkrieg“der Gebietstau­sch abgemacht werden könnte. In Serbien könnten jedenfalls im April vorgezogen­e Neuwahlen stattfinde­n, denn Vučić nutzt Wahlen, um die Macht seiner Partei abzusicher­n.

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Foto: AP / Ronald Zak Kosovarisc­her Premier Ramush Haradinaj.

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