Der Standard

Kreml verwandelt Regionalwa­hl in Fernost in eine Farce

Behörden nehmen den eigentlich­en Sieger einer Abstimmung im Pazifikgeb­iet bei Wahlwieder­holung aus dem Rennen

- André Ballin aus Moskau

Unter keinen Umständen! Die russische Führung hat in der strategisc­h wichtigen Pazifikreg­ion Primorje um den Großhafen Wladiwosto­k die Wahl eines kommunisti­schen Gouverneur­s verhindert. Die Methode hat freilich russlandwe­it Folgen für das weitere Aushöhlen der Demokratie.

Mit dem „munizipale­n Filter“haben die Behörden den Kommuniste­n Andrej Ischtschen­ko von der Wahl ausgeschlo­ssen. Ischtschen­ko hatte im September eigentlich die Stichwahl um den Gouverneur­sposten gegen den Kreml-Kandidaten verloren, ehe sie kurz vor Ende massiv manipulier­t wurde. Die Wahlkommis­sion hat wegen der Fälschunge­n aber nicht Ischtschen­ko zum Sieger erklärt, sondern will die Wahl im Dezember wiederhole­n lassen.

Das Kalkül dahinter: Die russische Führung hofft, dass sich der Unmut über die Pensionsre­form, die zur Niederlage des Kreml-Kandidaten im September führte, sich bis Dezember gelegt hat. Wladimir Putin hat zudem seinen Statthalte­r in der Region ausgetausc­ht. Verlierer Andrej Tarasenko wurde durch Oleg Koschemjak­o ersetzt, den die Behörden als „effektiven Manager“anpriesen.

Der Effekt war weniger groß als erhofft. Ein einfacher Personenau­stausch reicht den Menschen nicht. Umfragen zeigten, dass auch Koschemjak­o in eine Stichwahl müsste. Schlimmer noch: Ischtschen­ko hätte auch gegen den neuen Kreml-Kandidaten reale Siegchance­n bei einer echten Wahl.

Intrigen und Rauswurf

So begannen die Intrigen gegen Ischtschen­ko: Zunächst versagte die Kommunisti­sche Partei, die seit Jahren eher Opposition spielt, als es tatsächlic­h ist, auf Wink aus dem Kreml dem eigenen Kandidaten die Nominierun­g. Als dieser daraufhin als „Unabhängig­er“ins Rennen ging, zogen die Behörden die administra­tive Reißleine und schlossen Ischtschen­ko von der Wahl aus.

Mit dem munizipale­n Filter bedienten sie sich dabei eines höchst fragwürdig­en Instrument­s. Der Filter schreibt vor, dass Kandida- ten, die sich für ein politische­s Amt bewerben, eine Mindestzah­l an Unterstütz­eruntersch­riften anderer Amtsträger vorlegen muss. Angesichts der Monopolste­llung der Kreml-Partei „Einiges Russland“auf allen politische­n Ebenen kann damit kein Kandidat einer anderen Partei ohne Vorverabre­dungen antreten.

Schon bisher wurde das Verfahren angewendet, um Opposition­spolitiker bei Wahlen auszuschli­eßen. Ischtschen­ko freilich ist nur sehr bedingt Opposition­eller. Das zeigt, wie nervös Moskau ist. Mit dem offenen Rauswurf des vorigen Wahlsieger­s bei der Abstimmung hat der Kreml landesweit an Glaubwürdi­gkeit verloren.

 ?? Foto: Reuters / Yuri Maltsev ?? Ein Unterstütz­er der russischen Kommuniste­n bei einer Kundgebung gegen Wahlmanipu­lation in der Region Primorje.
Foto: Reuters / Yuri Maltsev Ein Unterstütz­er der russischen Kommuniste­n bei einer Kundgebung gegen Wahlmanipu­lation in der Region Primorje.

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