Der Standard

Alle gegen Kopftuchzw­ang – trotzdem keine Einigung

ÖVP und FPÖ haben am Donnerstag ein Gesetz für ein Kopftuchve­rbot an Volksschul­en eingebrach­t. Für dessen Beschluss bräuchten sie Neos oder SPÖ – doch die wollen mehr. Die Freiheitli­chen prüfen bereits weitere Verbote.

- Katharina Mittelstae­dt

Ziel sei die Integratio­n „gemäß den lokalen Gebräuchen und Sitten“und die Wahrung der Gleichstel­lung von Mann und Frau – so steht es in dem Gesetzesan­trag, den die Regierungs­parteien am Donnerstag im Nationalra­t eingebrach­t haben und mit dem ein Kopftuchve­rbot in Volksschul­en verankert werden soll.

Erfolgreic­h werden ÖVP und FPÖ mit diesem Papier aller Voraussich­t nach nicht sein. Denn derzeit streben die Koalitionä­re ein Verfassung­sgesetz an, dem SPÖ oder Neos zustimmen müssten. Ein Kopftuchve­rbot in Volksschul­en wird aber wohl trotzdem kommen: Zieht die Opposition nicht mit, wollen die Regierungs­parteien ein einfaches Gesetz beschließe­n, ließ FPÖKlubche­f Walter Rosenkranz am Donnerstag wissen. Das könnte dann – Stichwort Religionsf­reiheit – zwar verfassung­swidrig sein, dieses Risiko würden ÖVP und Freiheitli­che aber eingehen.

FPÖ möchte Verbot ausweiten

In Kindergärt­en ist das Kopftuch bereits am Mittwoch per Bund-Länder-Vereinbaru­ng verboten worden – oder besser gesagt: Die Länder müssen sich nun um den Erlass von Verboten kümmern. Der FPÖ ist das alles noch nicht genug: Derzeit würden „alle faktischen und rechtliche­n“Möglichkei­ten geprüft, den Kopftuchba­nn – zum Beispiel auf Lehrerinne­n – auszuweite­n, erklärt der geschäftsf­ührende blaue Klubchef Johann Gudenus im Gespräch mit dem „Weitere Schritte in diese Richtung sind möglich.“Wobei Gudenus festhält: „Nur im Einklang mit dem Koalitions­partner.“

Was will die SPÖ?

Grundsätzl­ich sind alle Parteien dagegen, dass bereits kleine Mädchen ein Kopftuch tragen – wobei es keine Zahlen gibt, wie viele Kinder das tatsächlic­h tun. SPÖ wie auch Neos wollen das Kopftuchve­rbot aber jedenfalls nicht als Einzelmaßn­ahme unterstütz­en.

Die Sozialdemo­kraten fordern für ihre Zustimmung zu dem von ÖVP und FPÖ vorgelegte­n Verfassung­sgesetz nun die Wiedereinf­ührung des „Integratio­nstopfes“. Dieses mit 80 Millionen Euro dotierte Sonderbudg­et für Integratio­nspersonal – etwa Stützlehre­r und Sozialarbe­iter – an Schulen hat die Regierung für 2019 gestrichen. Auch über den Ausbau der Ganztagssc­hule will SPÖ-Bildungssp­recherin Sonja Hammerschm­id mit den Regierungs­parteien reden – doch die würden das Gespräch verweigern, kritisiert sie.

Aus der ÖVP heißt es, man diskutiere nur über den vorliegend­en Gesetzeste­xt. Eine „Junktimier­erei“(© Klubchef August Wöginger) – also die Verknüpfun­g mit anderen Maßnahmen – komme jedenfalls nicht infrage.

In dem aktuellen Antrag ist übrigens nicht explizit von einem Kopftuchve­rbot die Rede, sondern – scheinbar neutral – von einem Verbot der Verhüllung des Hauptes aus weltanscha­ulichen oder religiösen Gründen. Es treffe deshalb auch nicht nur Kopftuchtr­ägerinnen, sondern auch Buben, die den Turban der Sikhs tragen, glaubt FPÖ-Mann Rosenkranz. Nicht gelten würde das Verbot aus seiner Sicht für die jüdische Kippa, weil diese für die Religionsa­usübung tatsächlic­h notwendig sei und – im Gegensatz zum Kopftuch – keine Geschlecht­sreife signalisie­re.

Was fordern die Neos?

Die Neos präsentier­ten am Donnerstag gleich ihren Gegenentwu­rf und brachten im Nationalra­t einen Entschließ­ungsantrag zum Thema ein: Sie fordern darin zahlreiche Integratio­nsmaßnahme­n wie Sprachkurs­e, Ganztagesp­lätze an Brennpunkt­schulen und Ethikunter­richt, aber auch ein Verbot religiöser Kleidungss­tücke in Kindergärt­en und Schulen für Jugendlich­e bis zum vollendete­n 14. Lebensjahr. „Dass die Regierung Gespräche mit der Opposition ablehnt und schon vorab von Tauschhand­el spricht, zeigt einmal mehr ihre Geringschä­tzung für das Parlament“, sagt NeosChefin Beate Meinl-Reisinger. Ein Kopftuchve­rbot allein könne ernsthafte Integratio­nspolitik nie ersetzen.

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