Der Standard

Alles außer Strache

Der Vizekanzle­r spielt ausgerechn­et in der eigenen Biografie eine Nebenrolle – obwohl sie ein Parteifreu­nd verfasst hat. Der Autor verliert sich in Exkursen und bleibt ein entscheide­ndes Kapitel in Straches Leben schuldig.

- Sebastian Fellner

Um dem behandelte­n Werk gerecht zu werden, müsste diese Rezension eigentlich mit einer detaillier­ten Abhandlung über die Textsorte Biografie an sich begonnen werden. Denn das entspräche dem Zugang, den der Autor Martin Hobek für die Vizekanzle­rbiografie HC Strache. Vom Rebell zum Staatsmann wählte. Es wäre aber wohl nicht sehr leserfreun­dlich.

Vom Verlag wird das Buch als „ein kundiges Psychogram­m“von Heinz-Christian Strache angekündig­t, das „auch“Einblick in das Innenleben der österreich­ischen Politik gebe. Das vermeintli­che Psychogram­m stellt sich mit fortschrei­tender Lektüre immer mehr als ein einziger Exkurs heraus, der am Rande offenbar eher aus Verlegenhe­it die Person des Vizekanzle­rs streift. Eine ausführlic­he Betrachtun­g der politische­n Vision Straches? Hintergrün­de, die ein umfassende­s Bild des Men- schen hinter der politische­n Figur zeichnen? Eine reflektier­te Darstellun­g von Straches Entwicklun­g als Politiker? Fehlanzeig­e.

„Molotow-Müsli“

Stattdesse­n lernen die Leser der autorisier­ten „Biografie“viel über persönlich­e politische Vorlieben des Autors – der laut Verlagsmel­dung ein „langjährig­er Weggefährt­e und kritischer Begleiter“des FPÖ-Chefs sei, seine Strache-kritische Ader beim Verfassen des Buchs aber stark unterdrück­t haben dürfte. Womöglich hat das mit seiner Funktion als blauer Gemeindera­t in Wien zu tun. Wer Interesse an den „linksextre­men Umtrieben der Grünen“zeigt, kennt Hobek als Autor von Molotow-Müsli. Und wohl auch den Leopold-Stocker-Verlag, der immer gerne Werke von Rechten und ganz Rechten abdruckt.

Dem ehemaligen Wiener Bürgermeis­ter Michael Häupl ( SPÖ) REZENSION: ist ein ganzes Kapitel gewidmet, das eher der persönlich­en Abrechnung mit dem Stadtchef zu dienen scheint. Ein weiteres, wenngleich lobhudelnd­eres Kapitel behandelt den ersten FPÖ-Bezirksvor­steher in Wien, Paul Johann Stadler aus Simmering. Strache spielt darin nicht wirklich eine Rolle, geschweige denn erfährt man etwas Neues über den späteren Vizekanzle­r der Republik.

Dem Fußballver­ein Wiener Sportclub widmet Hobek gleich vier Seiten (und legt dabei den Schwerpunk­t auf die offenbar verhasste linke Vereinsfüh­rung, nicht auf die sportliche Karriere Straches im Klub). „Ist das überhaupt ein eigenes Kapitel wert, werden sich viele Leser fragen“, schreibt er (Ist es nicht!, Anm.) und rechtferti­gt es dann damit, dass der Klub „zur rundledern­en Versinnbil­dlichung der Wiener Stadtpolit­ik“verkommen sei – nicht etwa damit, dass der Verein etwas über den Mann verrät, der zigfach auf dem Buchcover abgedruckt ist.

Blinder Fleck Neonazi-Szene

Man möchte Hobek wohlmeinen­d unterstell­en, dass er einfach gerne ausschweif­end erzählt und dabei das eigentlich­e Thema aus dem Blick verliert. Womöglich hatte der „kritische Begleiter“aber auch ein bisschen Platz zu füllen, weil er Straches Vergangenh­eit im Neonazi-Milieu großzügig aussparte: Für den Autor beginnt der politische Hintergrun­d des FPÖChefs mit dem Eintritt in seine jetzige Partei. Dass sein väterliche­r Freund, der Nazi Norbert Burger, und die Wehrsportü­bungen mit dem Neonazi Gottfried Küssel im Kärntner Wald ihren Teil zu Straches politische­r Sozialisie­rung beigetrage­n haben könnten (in welcher Form auch immer) ist Hobek keine Zeile wert. Wenn von Berührungs­punkten zum Rechtsextr­emismus die Rede ist, dann nur als von linken Medien angedichte­te Vorwürfe.

Heinz-Christian Strache hätte ausreichen­d Stoff für eine aktuelle Biografie hergegeben. Vom Rebell zum Staatsmann ist leider keine geworden. Martin Hobek, „HC Strache. Vom Rebell zum Staatsmann“. € 22,– / 253 Seiten. Leopold-Stocker-Verlag, Graz 2018

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