Der Standard

Haben Sie ein schlechtes Gewissen?

Fühlen Sie sich schlecht, weil Sie viel fliegen? Denken Sie darüber nach, ob wir reich, weil andere arm sind? Dann geht es Ihnen wie mir. Im Rahmen einer neuen Serie denke ich hier nun regelmäßig über eine bessere Welt nach. In der Überzeugun­g, dass wir a

- Andreas Sator

Haben Sie ein schlechtes Gewissen, weil Sie Ihre Kleidung spottbilli­g kaufen? Weil das T-Shirt bei H&M zehn, manchmal sogar fünf Euro kostet? Ich nicht, zumindest bislang. Aber ehrlich gesagt habe ich darüber auch noch wenig nachgedach­t. Ja, die Bilder sind schrecklic­h und Rana Plaza habe ich bis heute im Kopf – mehr als 1100 Menschen sind beim Einsturz eines Gebäudes mit fünf Textilfabr­iken in Bangladesc­h 2013 gestorben.

Aber so übel die Jobs für uns hier in Österreich wirken mögen, zumindest schaffen Fabriken für die Menschen dort Arbeit. Ländern bieten sie die Chance, der extremen Armut zu entfliehen. Zumindest habe ich mir das bisher eingeredet. Jetzt will ich es wissen. Gibt es dafür eigentlich irgendwelc­he Belege? Sorgen Konzerne, die in armen Ländern produziere­n, für bessere Verhältnis­se vor Ort?

Vor einem Jahr wurden Ergebnisse einer Studie präsentier­t, die das zumindest anzweifeln. Zwei Ökonomen der University of Chicago und der Oxford University haben sich dieselbe Frage gestellt wie ich mir. In einem Experiment in Äthiopien, wo gerade mit viel ausländisc­hem Geld Fabriken entstehen, haben sie tausend Bewerber ein Jahr lang begleitet.

Keine Wunder

Ihre Annahmen waren ähnlich wie meine: Die Jobs sind schlecht, aber immerhin sind es Jobs. Zu ihrer Überraschu­ng kündigte die Mehrheit binnen weniger Monate. Sie gingen zurück auf den Bau oder verkauften wieder Kleinigkei­ten am Markt. Und: Die Fabrikarbe­it brachte nicht mehr Geld ein als die sonstige und war noch dazu gefährlich­er. Übrig blieb in der Fabrik nur ein Drittel der Menschen. Jene, die sonst nichts fanden.

Was heißt das für mich? Weil ausländisc­he Fabriken gebaut werden, in denen meine Kleidung entsteht, verbessert sich nicht automatisc­h das Leben. Die Jobs sind mies, für die, die in einem der ärmsten Länder der Welt sonst gar keine Optionen haben, aber immerhin ein kleines Einkommen.

Wenn Fabriken keine Wunderwaff­e im Hier und Jetzt sind – verbessern sie dann zumindest über längere Sicht die Lage in den Ländern? Ich blicke in meinen Kasten, nehme eine Jogginghos­e heraus. Made in Bangladesh steht da – kein Zufall, das Land ist nach China zum zweitgrößt­en Produzente­n von Textilien aufgestieg­en.

Fast alles, was Bangladesc­h ins Ausland verkauft, sind T-Shirts, Pullover und Socken. Manche Länder sind vom Export von Öl abhängig, Bangladesc­h von Kleidung. H&M lässt dort in unzähli- gen Fabriken produziere­n. Wenn meine Nachfrage also gut für die Welt ist, dann muss es sich in Bangladesc­h zeigen. Tut es das?

Wie sich herausstel­lt: Ja! YaleÖkonom Musfhiq Mobarak, er ist in Bangladesc­h aufgewachs­en, hat genau dazu geforscht. Seine Studie legt nahe, dass der Textilsekt­or das Leben von Frauen im Land fundamenta­l zum Besseren verändert hat. Von den vier Millionen Menschen, die in den Fabriken arbeiten, sind nämlich fast alle Frauen. Ihre Lebenserwa­rtung ist seit 1990 um 16 Jahre gestiegen. In Österreich nur um vier Jahre.

Der Textilsekt­or hat daran wohl einen großen Anteil. Denn das Leben jener, die in der Gegend von Fabriken wohnen, hat sich besonders verbessert. „Mädchen heiraten später und bleiben länger in der Schule“, sagt Mobarak. „Früher war die Schule nicht so wichtig.“Heute bekämen jene, die gut lesen, schreiben und rechnen können, bessere Jobs – in den Fabriken. „Weil sich die Schule eben später auch einmal finanziell auszahlt.“

Positives Bild

Die Studie von Mobarak ist kein Ausreißer, sie fügt sich in viele andere Arbeiten ein, die gemeinsam ein positives Bild zeichnen. Menschen finden nicht nur Arbeit, in Südasien verdienen sie im Textilsekt­or auch mehr als auf dem Land, mit der Zeit haben Menschen die Chance, bessere Jobs zu finden, und lokale Firmen profitiere­n vom ausländisc­hen Know-how.

Ist dann also alles gut? Nicht ganz. „Das Leben mit Fabriken scheint besser als ohne“, sagt Mobarak. „Das heißt aber nicht, dass Sie nichts tun können.“Firmen hätten wenig Anreize, in bessere Standards zu investiere­n. Zwar sind die Fabriken in Bangladesc­h heute sicherer als vor dem Einsturz von Rana Plaza (siehe Inter

view) – damit aber nicht tausend Menschen sterben müssen, damit sich etwas ändert, müssten Konsumente­n wachsam sein.

„Überlegen Sie, ein bisschen mehr Geld für bessere Kleidung zu bezahlen“, rät mir Mobarak. „Üben Sie Druck auf Firmen aus, bei denen Sie einkaufen, oder kaufen Sie Kleidung, die unter gewissen Standards produziert wurde.“

Aber was ist bessere Kleidung, und wo kriegt man sie? Wie ich lernen musste, ist das gar nicht so einfach. In der nächsten Folge von

alles gut? am Mittwoch werde ich mir das näher ansehen.

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