Noch einmal mit dem Vorschlaghammer
Nach 37 Jahren im Dienst gegen Gott, Geschwindigkeitsbeschränkungen und den guten Geschmack befindet sich die kalifornische DreschmetallInstitution Slayer auf Abschiedstour. Eine Watsche geht sich noch aus.
Sich in das Gesamtwerk eines Komponisten zu vertiefen liefert aber Antworten? Szeps-Znaider: Klar. Verbindungen und Kontexte zu erkennen ist wichtig. Man hat mir gesagt, ich würde Mozarts Geigenwerke nie verstehen, wenn ich nicht auch seine Opern kenne. Das stimmt. Wenn man erkennt, wie Mozart mit dem Text umgeht, wie er diesen vertont, begreift man auch, wo die „Sätze“in seinen Instrumentalwerken anfangen und enden.
Sie dirigieren auch. Hat es Sie diesem Berufsstand gegenüber toleranter gemacht? Szeps-Znaider: Ich bin viel toleranter. Ich habe Mitleid mit den Solisten, wenn ich dirigiere. Und wenn ich spiele, denke ich, der arme Dirigent! Es geht aber letztlich darum, gemeinsam während des Spiels etwas herzustellen, man kann bei Proben nicht alle Probleme lösen. Es geht darum, Kontakt und Vertrauen zu schaffen. Wenn die Musiker mir vertrauen, gehen sie mit, holen sie mit mir dieses Extra aus den Werken heraus. Etwas, das eben nicht in den Noten steht.
Es reicht also nicht, wenn es nur richtig klingt, was dieses „richtig“am Ende auch immer sein mag ... Szeps-Znaider: Ja, das Problem ist aber die Routine, sie ist gefährlich. Der Orchestermusiker entscheidet eher nicht selbst, was er spielt. Dann kommt diese Person, die ihm erzählt, wie er zu spielen hat. Das kostet Motivation. Die Aufgabe des Dirigenten ist es auch, Kollegen daran zu erinnern, warum sie Musiker geworden sind.
NIKOLAJ SZEPS-ZNAIDER (Jahrgang 1975) ist ein dänischer Geiger und Dirigent. Er spielt auf der „Kreisler“Guarnerius von 1741, die das Königlich Dänische Theater zur Verfügung stellt. Er tritt am 23. und 24. 11. im Konzerthaus auf.
Alle Philosophie dient dazu, sich auf den Tod vorzubereiten und sterben zu lernen. Ob der Tod den Übergang zu einem anderen Ort oder ins Nichts bedeutet, sei einmal dahingestellt. Loslassen als Sterbeprozess und die Einübung in den selbigen im Schlaf (siehe auch die Bach-Kantate Ich will den Kreuzstab gerne tragen) wird jedenfalls als sinnvolle Übung angesehen: „Komm, o Tod, du Schlafes Bruder“.
Ein schlauer Mensch hat einmal gesagt, dass Slayer die Goldberg-Variationen Johann Sebastian Bachs rückwärts und bei fünffacher Geschwindigkeit spielen würden. Allerdings wird im Gegensatz zu Glenn Goulds Interpretation weniger dazu gebrabbelt als mit großer Entschlossenheit gebrüllt. Übrigens, der Kreuzstab wird bei Slayer zwar auch sehr gern, allerdings auf den Kopf gestellt getragen: „Aaaaaaaargh! The gates of hell lie waiting as you see. There’s no price to pay just follow me! I can take your lost soul from the grave, Jesus knows your soul can not be saved!“
Das! Ist!! Eine Musik!!! Mit!!!! Rufzeichen!!!!!
Seit fast vier Jahrzehnten hat das aus Kalifornien stammende Quartett Slayer nun daran gearbeitet, seine Musik und Texte konstant im roten Bereich zu halten. Mit Alben wie Show No Mercy, Hell Awaits oder Reign In Blood etablierten sie in den frühen 1980er-Jahren die extreme Spielart des Thrash-Metal, also Prügeloder Dreschmetall.
Gekennzeichnet war und ist diese in jeder Hinsicht brutale Musik nicht nur durch hohes Tempo im roten Tachobereich, wüstes Schlagzeuggeholze, Stakkato-Riffs und irrwitzig genudelte Soli auf der Gitarre. Mit der direkten, einfachen Sprache von Menschen, die mit der Gesamtsituation nicht einverstanden sind, erhebt man auch schwere Einwände gegen die Gesellschaft, das System und immer wieder auch speziell gegen den christlichen Glauben und andere heidnische Kulte. Es geht speziell auch gegen die Idee eines Gottes, der dadurch blöderweise legitimiert wird, indem man sich gegen ihn stellt und somit seine Existenz ungewollt bestätigt. Ja, es ist kompliziert.
Die Essenz des Bösen
Das ergibt natürlich die interessantesten Widersprüche und Irritationen. Dies führt in der Kunst sowieso zu den – das ist jetzt vielleicht das falsche Wort – schönsten Ergebnissen. Speziell eine Arbeit aus der späteren Phase Slayers legt davon Zeugnis ab. God Hates Us All heißt das Album, das ausgerechnet am 11. September 2001 erschien.
Im Metal geht es auf die eine oder andere Art immer um Provokation, um Gesellschaftskritik sowie schlichtweg um einen, ja, auch kindlichen Heidenspaß. Gesunder jugendlicher Nihilismus, Zerstörungswut, Schmutz und Schund – und überhaupt Drastik und Deutlichkeit mit dem Vorschlaghammer –, sie sind in diesem Genre ewige Werte. Eine musikalische Weiterentwicklung oder so etwas Ähnliches wie stilistische Adaptionen und zeitgenössische Sounds sind absolut fehl am Platz. Wenn sich zu Hause jemand ärgert, was da schon wieder für ein menschenfeindlicher Krach aus dem Zimmer des großen kiffenden Kindes kommt, ist die Arbeit getan, der Zweck erfüllt.
Das verbotene Originalcover von God Hates Us All zeigt eine in einem Pentagramm liegende Bibel, die mit Nägeln gespickt und blutbesudelt ist. Darüber brennt das Wort „Slayer“. Alles klar?
Horror, Terror, Tod und Krieg, Hass-, Mord- und Folterfantasien, die Grundbefindlichkeit der Welt zur schwarzschwarzen Essenz des Bösen eingedampft: Wer wissen will, warum Menschen andere niederschießen, bloß weil ihnen der Parkplatz weggeschnappt wird, warum sich am Black Friday vor den Wühltischen die Schnäppchenjäger prügeln, warum Demokratiedarsteller ins Parlament gewählt werden und sich ganz allgemein die Leute ihr ganzes Leben lang durch den Kakao ziehen lassen, den sie dann auch noch trinken: Slayer verdichten das künstlerisch. Sie sind dabei aber nicht ganz dicht.
Nach dem Tod ihres Gitarristen Jeff Hanneman 2013, der live gesundheitsbedingt schon zuvor durch den Gitarristen Gary Holt von den Thrash-Kollegen Exodus ersetzt worden war, sowie dem Abgang von Drummer Dave Lombardo blieben von der Originalbesetzung zuletzt nur noch Bassist und Brülltier Tom Araya (57) und Gitarrist Kerry King (54) übrig.
Die geben sich live bei oft nicht sofort unterscheidbaren Klassikern wie Raining Blood, Jihad, Angel Of Death oder South Of Heaven zwar juvenil-rüstig. Das hohe Tempo und das intensive Gebrüll können einem über 50 aber ganz schön zusetzen. Nun sagen Slayer in allen Ehren und mit aller Restwürde auf Nimmerwiedersehen: „Aaaaaargh!!!!!!“Slayer live (mit Anthrax, Lamb of God und Obituary), Freitag, 23. 11., Wiener Stadthalle, ab 18 Uhr